Die Wandinschrift „Programm der NSDAP von 1920“ – aus dem Jahr 1937
Der Rat der Stadt Gelsenkirchen beschloss die Einrichtung der Dokumentationsstätte über die Zeit des Nationalsozialismus in Gelsenkirchen, nachdem im Sommer 1986 eine Wandinschrift des NSDAP-Programms von 1920 im heutigen Gebäude der Dokumentationsstätte wiederentdeckt worden war. Das Institut für Stadtgeschichte wurde mit der wissenschaftlichen Erforschung und Präsentation des historischen Ortes beauftragt.
Zu diesem Zweck wurde das Gebäude mit Unterstützung des Ministeriums für Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW renoviert und umgebaut. Am 8. Mai 1994 wurde die Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“ an einem der wenigen erhaltenen historischen Orte aus der Zeit des „Dritten Reiches“ in Gelsenkirchen eröffnet. Die Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“ ist im Unterschied zu anderen Gedenk- und Dokumentationsstätten eine Einrichtung, die nicht nur die Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus behandelt, sondern auch die der Täter und Mitläufer.
1907 wurde das Hauptgebäude der heutigen Dokumentationsstätte vom damaligen Amt Buer als Polizeikommissariat errichtet. 1932 zog die Polizei in einen neuen Anbau des Gebäudes, in dem Hauptgebäude kam eine Zweigstelle der Sparkasse unter. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 wurden die Räume im ersten Obergeschoss Sitz der Ortsgruppenleitung Buer-Erle der NSDAP und der Erler SA. Im Hauptraum, der zunächst Büro des Ortsgruppenleiters war und später als Schulungsraum genutzt wurde, wurde eine über die gesamte Wand verteilte Wandinschrift angebracht. Diese Wandinschrift gibt das NSDAP-Programm von 1920 wieder, eine der wenigen authentischen Überreste aus der NS-Zeit in Gelsenkirchen.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde diese Wandinschrift übermalt. Das Gebäude wurde bis in die 1950er Jahre weiter von der Polizei, einer Meldestelle und der Stadtsparkasse genutzt. Die Polizei verblieb bis 1976 im Haus. Vorübergehend wurde eine Lehrwerkstatt für Näherinnen untergebracht. Die Erdgeschossräume standen seit den 1980er Jahren einer Zweigstelle der Stadtbücherei zur Verfügung. Im Sommer 1986 wurde die Wandinschrift der Nationalsozialisten wiederentdeckt, zu diesem Zeitpunkt nutzte eine Gruppe Gelsenkirchener Schriftsteller die Räume.
Aufgrund neuer Forschungsergebnisse, aber auch weil sich Wahrnehmungsweisen und technische Umsetzungs- und Präsentationsmöglichkeiten geändert haben, wurde die seit 20 Jahren bestehende Dauerausstellung 2014/15 grundlegend erneuert mit Hilfe der finanziellen Förderung der Landeszentrale für politische Bildung NRW. Am 8. Mai 2015 konnte die Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“ mit der neu gestalteten Dauerausstellung präsentiert werden und steht seitdem der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung.
Die neu überarbeitete Ausstellung stellt die Bedingungen dar, unter denen die von den Nationalsozialsten propagierte „Volksgemeinschaft“ bereit ist, im Namen einer rassistischen und menschenverachteten Ideologie an Verbrechen mitzuwirken, die mit alltäglicher Ausgrenzung beginnen und schließlich im Massenmord gipfeln – auch in einer Industrieregion, deren Bevölkerung dem Nationalsozialismus ursprünglich überwiegend ablehnend begegnet ist. Dabei werden neben der eigentlichen Phase des „Dritten Reiches“ zwischen 1933 und 1945 auch die Vorgeschichte und die Nachwirkungen des Nationalsozialismus berücksichtigt. Die Ausstellung beginnt im Treppenhaus mit der Beschreibung der Geschichte des Hauses an der Cranger Straße 323. In sieben weiteren Räumen werden insbesondere die Prozesse der Ausgrenzung und Gemeinschaftsbildung an Gelsenkirchener Biografien und Ereignissen dargestellt.
Die im Jahr 2015 neu gestaltete Dauerausstellung richtet sich gezielt an junge Besuchergruppen und ihre lebensweltlichen Erfahrungen. So wurden digitale und mediale Elemente in die Dauerausstellung integriert. Doch als Zeugnis des NS-Terrors vor Ort bildet die Wandinschrift weiterhin ein Kernstück der Ausstellung.
Am „Ort der Täter“ zeigt diese, wie die nationalsozialistische Herrschaft funktionierte: Durch die Integration von „Volksgenossen“ und die systematische Ausgrenzung von „Gemeinschaftsfremden“. Ausgewählte Gelsenkirchener Lebenswege geben Besucherinnen und Besucher Einblicke in Einzelschicksale von Verfolgten, die den Biographien der Täter gegenüber gestellt sind und so die reale Praxis des NS-Regimes in Gelsenkirchen multiperspektivisch beleuchten.
Die Dokumentationsstätte ist mit dem Stadtarchiv und dem umfangreichen Forschungsbereich eine Einrichtung des Instituts für Stadtgeschichte Gelsenkirchen. Zu den Angeboten und Tätigkeiten gehören pädagogische Konzepte für spezifische Besuchergruppen, Veranstaltungen und Vorträge.
Sie ist in der Stadt der zentrale Erinnerungsort zur Auseinandersetzung mit der lokalen NS-Geschichte.
Weitere Informationen: www.institut-fuer-stadtgeschichte.de