Steintröge als Sinnbild für die nazistische Barbarei

Der historische Ort: Warum der Schlachthof?

Dass die Gestapo ausgerechnet den Schlachthof als Deportations-Sammelstelle nutzte, hatte pragmatische Gründe: die Nähe zum Güterbahnhof, die Verfügbarkeit einer großen, leicht zu überwachenden Halle, zudem in städtischem Besitz. Doch der Begriff „Schlachthof“ im Zusammenhang mit den Deportationen schien schon damaligen Gestapobeamten unvorteilhaft. Deswegen gaben sie in manchen Dokumenten lieber „Rather Str. 23“ als Sammelstelle an.

Tor zur Hölle, aber auch Sinnbild des arbeitsteiligen Prozesses

Der Schlachthof war für die meisten Deportierten das letzte, was sie von ihrer alten Heimat sahen. Weggerissen von zu Hause, im Zug mit nur einem Koffer als Handgepäck. Die nächste Station war das Ghetto und dort: der Terror von Polizei und SS, Hunger, Krankheit, weitere Deportation und Massenmord. Die makabre Metaphorik, die dem Ort und Begriff „Schlachthof“ innewohnt, sollte aber nicht den Blick darauf verstellen, dass die Deportationen, egal von welchem Ort sie erfolgten, das Ergebnis eines von Menschen geschickt ausgeklügelten, komplexen Prozesses waren.

An diesem Prozess waren neben der Gestapo viele andere Behörden und Organisationen beteiligt. Alles wurde „ordnungsgemäß“ durch Gesetze und Verordnungen vorbereitet und „durchgeführt“. Vertreter des Finanzamtes und des Amtsgerichts waren an den Tagen der Deportationen am Schlachthof anwesend, dessen alltäglicher Betrieb nicht unterbrochen wurde. Die Deportationen blieben auch nicht geheim. Neben den ungezählten Beteiligten und Augenzeugen und Augenzeuginnen gab es viele Menschen, die von dem geraubten Gut der Verschleppten profitierten. Sie bezogen die verwaisten Wohnungen oder ersteigerten Gegenstände aus „nichtarischem Besitz“.

Der Erinnerungsort Alter Schlachthof an der Hochschule Düsseldorf

Seit Februar 2016 dokumentiert und erläutert die Dauerausstellung des Erinnerungsortes Alter Schlachthof an der Hochschule Düsseldorf die Deportationen. Sie erinnert an die verschleppten und ermordeten Menschen und gibt vielen Gesicht, Namen und Geschichte zurück. Die Ausstellung verdeutlicht auch die Folgen des Nationalsozialismus für unsere Gesellschaft. Denn einige der Denkmuster und Feindbilder, die den nazistischen Massenverbrechen zu Grunde lagen, sind auch heute noch lebendig und nicht nur am rechten Rand, sondern auch in der Mitte unserer Gesellschaft anzutreffen: Antisemitismus, Rassismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die Folgen sind Hetze, Hass und Gewalt gegen Minderheiten, Migranten und Migrantinnen, Geflüchtete und Andersdenkende.

Entstehung

Der Erinnerungsort Alter Schlachthof verdankt seine Existenz dem jahrelangen Engagement lokaler Akteurinnen und Akteure aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Sie haben die Einrichtung eines Erinnerungsortes am historischen Ort ebenso vehement gefordert wie der AStA der Hochschule. Möglich wurde die Einrichtung durch die Hilfe vieler Partner und Partnerinnen wie der Jüdischen Gemeinde, der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, der Stadt Düsseldorf, der Bezirksvertretung, des Landschaftsverbandes Rheinland und vieler weiterer Unterstützerinnen und Unterstützer.

Der Erinnerungsort Alter Schlachthof ist Teil der Hochschule und inhaltlich eng mit dem Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus (FORENA) der Hochschule Düsseldorf verknüpft, der auch das Ausstellungskonzept erstellte. Das Digitale Archiv wurde von Studierenden des Fachbereichs Medien programmiert, das gestalterische Konzept und die Ausstellungsmöbel wurden von Studierenden des Exhibition Design Institutes (FB Design und Architektur) entwickelt; realisiert wurde es von den renommierten Eicher Werkstätten. Die Eisenrostkonstruktionen und die Galerien wurden vom Architektenbüro Nickl & Partner entworfen.

Die Dauerausstellung

Im öffentlichen Raum, und damit jederzeit sichtbar, steht vor dem Haupteingang der Bibliothek ein Informationspult, das den historischen Rahmen erläutert und die Nachwirkungen der NS-Herrschaft beleuchtet. Den Zugang zu den beiden Abstiegen, über die früher das Vieh in die Halle getrieben wurde, ermöglicht eine begehbare Gitterrost-Konstruktion. In zwei Galerien werden auf großflächigen Einzel- und Familienfotos Menschen porträtiert, deren Lebensgeschichten mit dem Schlachthof verknüpft sind, vor allem die von hier Deportierten und Ermordeten sowie Verfolgte, die rechtzeitig flüchten konnten und ihre Helferinnen und Helfer – aber auch Täter und Profiteure.

Im Untergeschoss der Dauerausstellung befindet sich das Digitale Archiv, in dem laufend biographische Informationen über die Verfolgten gesammelt werden. Es enthält zudem Sammlungen von Dokumenten und Fotos zu ausgesuchten Themen (z.B. Deportationslisten, Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen u.a.). Interviews mit Überlebenden können in ebenfalls hier befindlichen Medienstation angehört werden.

Bildungsarbeit & Netzwerke

Das historisch-politische Bildungsprogramm des Erinnerungsortes richtet sich insbesondere an die Hochschulangehörigen, aber auch an Jugendliche in Schule und Ausbildung, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie die interessierte Öffentlichkeit. Es umfasst Führungen, Informationsveranstaltungen, Workshops, Studienfahrten, Lesungen und Vorträge zur Geschichte und Bedeutung des historischen Ortes und zu den Menschen aus der Region, die in die Ghettos und Mordlager deportiert wurden. Dabei wird auch die Rolle der Täterinnen und Täter, Profiteure und schweigenden Zuschauerinnen und Zuschauer kritisch hinterfragt. In Seminaren und Workshops werden zudem Gegenwartsfragen wie Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus, Ausgrenzung und Umgang mit Minderheiten thematisiert.

Der Erinnerungsort Alter Schlachthof ist Teil der lebendigen Erinnerungslandschaft in Nordrhein-Westfalen und pflegt intensiven Austausch mit regionalen, nationalen und internationalen Museen und Gedenkstätten. Seit 2018 gehört er dem Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V. an.

Weitere Informationen: www.erinnerungsort-duesseldorf.de