Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit: Geht der schwarz-grüne Koalitionsvertrag weit genug?
(Foto von: Raimond Spekking / Originalbild: https://de.wikipedia.org/wiki/Kabinett_W%C3%BCst_II#/media/Datei:Er%C3%B6ffnung_ICE-Instandhaltungswerk_K%C3%B6ln-Nippes-9251_(cropped).jpg / Lizenz: CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/)
Kurzfassung
„Wir werden den Schutz des Klimas mit Industrie, ihren guten Arbeitsplätzen und sozialer Sicherheit versöhnen“: Mit diesem Versprechen läutete der wiedergewählte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Düsseldorfer Landtag seine neue Amtszeit ein. Das erste schwarz-grüne Bündnis im einwohnerstärksten Bundesland erklärt in seinem Koalitionsvertrag das Ziel, NRW „zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas“ zu machen – und verspricht, die sozialen Folgen der Transformation gleichermaßen mitzudenken. „Nordrhein-Westfalen muss das soziale Gewissen der Bundesrepublik bleiben“, heißt es in dem 146-seitigen „Zukunftsvertrag“, den Wüst und seine Stellvertreterin Mona Neubaur (Grüne) betont optimistisch signierten. Doch die Zukunftsfähigkeit des schwarz-grünen Regierungsprogramms ruft mancherorts Zweifel auf den Plan.
„Der Koalitionsvertrag wird der gesellschaftlichen Situation nicht gerecht“
Allen voran in der Opposition: So wirft die SPD dem konservativ-ökologischen Bündnis vor, die Interessen von Geringverdienenden zu vernachlässigen: „Schwarz-Grün ist vielleicht eine Koalition für mehr Windräder und Radwege“, sagte SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags in Düsseldorf. Aber es werde keine Koalition für Durchschnittsverdiener oder für Menschen, die sich Sorgen um ihre Miete, steigende Preise oder die Bildungschancen ihrer Kinder machten. Für die Grünen wehte der Gegenwind auch aus eigenen Reihen: Die Grüne Jugend NRW lehnte das Regierungsprogramm ab. „Der Koalitionsvertrag wird der gesellschaftlichen Situation nicht gerecht“, resümiert Rênas Sahin, der Landessprecher der Jugendorganisation, in einer Pressemitteilung. Auch der Naturschutzbund NABU attestierte den Grünen ein „enttäuschendes Verhandlungsergebnis“.
Stellen CDU und Grüne mit ihrem Regierungsprogramm also die richtigen Weichen für NRW? Oder geht der schwarz-grüne Koalitionsvertrag in Sachen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nicht weit genug?
Acht Perspektiven
„CDU und Grüne einig über Koalitionsvertrag: Zeitenwende in NRW“
Neue Westfälische, 23.06.2022 - Thomas Seim
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Die Perspektive in 30 Sekunden
Mit seinen klimapolitischen Zielen hat das konservativ-ökologische Bündnis es sich keineswegs zu leicht gemacht, findet der Chefredakteur Thomas Seim. Nach seiner Einschätzung könnte die neue Landesregierung damit die „Zeitenwende in NRW“ einleiten: „Das Ziel einer klimaneutralen Industrieregion beschreibt die historische Dimension von Schwarz-Grün im Land“, lobt er in der Tageszeitung NEUE WESTFÄLISCHE (NW).
Ausgerechnet das wichtigste Industrieland der Republik zu einer klimaneutralen Industrieregion umzubauen, hält Seim für eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. „Schon ein kurzer Blick auf den Ukraine-Krieg und dessen Folgen für die Energieversorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft nicht nur, aber vor allem im Winter reicht, um die gewaltige Bedeutung dieser Aufgabe zu sehen“, unterstreicht der Autor. Umso mehr könne das Gelingen dieser „Mammutaufgabe“ der CDU und den Grünen in NRW eine Vorreiterrolle sichern.
Inmitten der Energiekrise sei das programmatische Hauptziel „Klimaneutralität“ für beide Parteien ein Drahtseilakt – entlang von Diskussionen um Kohlekraft und Atomenergie. Dennoch ist Seim überzeugt, dass CDU und Grüne in NRW das Potenzial haben, Teile der Republik in ihren Bann zu ziehen: wenn es gelingt, „diese Mammutaufgabe und einige andere wie etwa die neu heraufziehende Corona-Krise pragmatisch und ideologiefrei im Interesse der Menschen zu lösen“.
Anmerkungen der Redaktion
Thomas Seim ist Chefredakteur der Tageszeitung NEUE WESTFÄLISCHE. Seit mehr als 30 Jahren ist er im Journalismus tätig und ist Redakteur für Politik, Korrespondent und Redaktionsleiter für verschiedene regionale und bundesweite Medien. Bei der Tageszeitung NEUE WESTFÄLISCHE arbeitet er seit 2009. Zuvor war er bei der WAZ, BERLINER ZEITUNG und RHEINISCHE POST.
Die NEUE WESTFÄLISCHE ist eine lokale Tageszeitung für die Region Ostwestfalen-Lippe in Nordrhein-Westfalen. Die Redaktion der Zeitung sitzt in Bielefeld. Die Neue Westfälische ist das fünftgrößte Medienhaus in Nordrhein-Westfalen. Herausgeber der Zeitung ist derzeit Klaus Schrotthofer. Die Zeitung wird vom Bielefelder Zeitungsverlag Neue Westfälische GmbH & Co. KG verlegt. Seit 2016 ist die Presse-Druck GmbH alleiniger Eigentümer der NEUEN WESTFÄLISCHEN. Die Presse-Druck GmbH gehört zu hundert Prozent der SPD-Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft. Die verkaufte Auflage der NEUEN WESTFÄLISCHEN lag im 1. Quartal 2022 bei rund 125.000 Exemplaren.
„Kolumne: Warum muss man immer alles kritisieren?“
Rheinische Anzeigenblätter, 27.06.2022 - Tom Braun
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Die Perspektive in 30 Sekunden
Der Leserreporter Tom Braun gibt dem schwarz-grünen „Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen” Rückendeckung. Nach seinem Dafürhalten wartet der Koalitionsvertrag mit einer Reihe wichtiger Vorhaben für NRW auf – von der Sozialpolitik bis hin zum Verkehr. Damit stelle die neue Landesregierung in vielen Bereichen die richtigen Weichen, macht der Autor in seiner Kolumne in den RHEINISCHEN ANZEIGENBLÄTTERN deutlich.
Braun konkretisiert seine Position anhand von vier inhaltlichen Punkten:
Erstens leiste der Koalitionsvertrag der sozialen Gerechtigkeit gute Dienste, indem er beabsichtige, den öffentlichen Nahverkehr preiswerter zu gestalten.
Zweitens sei mit Blick auf die Klimaziele geplant, das Angebot des ÖPNV bis 2030 um mindestens 60 Prozent zu erhöhen.
Drittens setze die neue Landesregierung es sich zum Ziel, 10.000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer einzustellen und „Schulen mit besonderen sozialen Herausforderungen” durch einen „Sozialindex” besser zu unterstützen.
Und viertens verspreche Schwarz-Grün, jährlich 3.000 neue Polizeikräfte einzustellen, um die Sicherheit in NRW zu sichern. „All diese aufgelisteten Beschlüsse sind meiner Meinung nach richtig und wichtig!“, resümiert Braun.
Er plädiert deshalb, dem Bündnis wohlwollend zu begegnen – sich „immer gleich empören” hält er für die denkbar schlechteste Reaktion auf das neue Regierungsprogramm. „Denn dadurch etabliert man gleich zu Beginn eine ablehnende Haltung gegenüber der neuen Regierung in der Gesellschaft”, warnt Braun. Mit Blick auf „einige echte Fortschritte im Koalitionsvertrag” findet er das mitunter „vernichtende Urteil” keineswegs angebracht.
Anmerkungen der Redaktion
Tom Braun ist Leserreporter für verschiedene Anzeigenblätter der RHEINISCHEN ANZEIGENBLÄTTER. Er studiert Lehramt in Köln und hat im Jahr 2022 sein Abitur in Hückelhoven absolviert. Mit seinen Artikeln möchte Braun den „Blickwinkel eines Jugendlichen und Erstwählers auf das politische Geschehen“ vermitteln. Ein solcher Blickwinkel werde bisher nicht oft vertreten.
Die RHEINISCHEN ANZEIGENBLÄTTER sind ein Gemeinschaftsunternehmen der DuMont-Mediengruppe und des Heinen-Verlags aus Köln. Die beiden Verlage geben unter anderem den KÖLNER STADT-ANZEIGER (DuMont) oder die KÖNISCHE RUNDSCHAU (Heinen-Verlag) heraus. Die Anzeigenblätter erscheinen alle ausschließlich im selben Gebiet der jeweiligen Tageszeitungen der beiden beteiligten Verlage. Die jeweiligen Ausgaben der Anzeigenblätter erscheinen meist wöchentlich und liegen entweder als Werbebeilage anderen Zeitungen der Mediengruppen bei oder werden kostenlos an verschiedene Haushalte im Rheinland ausgeteilt. Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft, die die RHEINISCHEN ANZEIGENBLÄTTER herausgibt, sind Michael Rausch und Hans Peter Zimmermann. Ersterer ist gleichzeitig Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Anzeigenblätter (BVDA).
„Kommentar: CDU und Grüne sind bereit für Zerreißproben“
Tagesschau.de, 26.06.2022 - Arne Hell
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Die Perspektive in 30 Sekunden
Der Redakteur Arne Hell rechnet der NRW-Koalition aus CDU und Grünen gute Erfolgschancen aus. Für die diversen „Zerreißproben“, denen sich das neue Bündnis in den kommenden fünf Jahren unweigerlich stellen müsse, sieht der Autor die neue Landesregierung gut gerüstet: „Mein Eindruck ist: Beide Seiten sind bereit dafür“, kommentiert Hell auf dem Online-Nachrichtenportal der TAGESSCHAU.
Zwar seien klima- und energiepolitische Konflikte vorprogrammiert, wenn die Polizei in NRW etwa Besetzungsaktionen von Klimaaktivist:innen auflöse oder Menschen gegen den Bau von Windrädern angehen. Doch Hell ist optimistisch, dass Schwarz-Grün diesen Herausforderungen gewachsen sein wird: „NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und die Grünen-Spitzenfrau Mona Neubaur werden diese Landesregierung zusammenhalten“, glaubt er. Nach seiner Beobachtung haben der Ministerpräsident und seine neue Stellvertreterin während der Koalitionsverhandlungen „einen ziemlich guten Draht zueinander“ gefunden. „Und sie haben in ihren Reihen genug Autorität, um Druck auszuhalten.“
Zudem sei Schwarz-Grün in NRW keineswegs nur eine Koalition der Parteispitzen – denn beide Parteitage haben vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags ein klares Votum für die gemeinsame Landesregierung in Nordrhein-Westfalen abgegeben: „[D]ie Basis steht hinter dem Bündnis“, hebt der Kommentator hervor. „Die Atmosphäre auf beiden Parteitagen hatte fast schon etwas Euphorisches.“ Dieses Pfund gelte es in den kommenden Jahren zu nutzen.
Anmerkungen der Redaktion
Arne Hell ist Redakteur beim WDR für die Landespolitik in NRW. Für den WDR hat er bereits seit 2009 als freier Journalist geschrieben. Seine Artikel erscheinen aber auch in anderen öffentlich-rechtlichen Medien: beispielsweise im BAYERISCHEN RUNDFUNK, im DEUTSCHLANDFUNK oder auf TAGESSCHAU.DE. 2019 hat Hell den mit einem Team an weiteren Journalist:innen bei der „Journalisten des Jahres“-Wahl des MEDIUM-MAGAZINS den 6. Platz in der Kategorie „Team“ belegt. Er hat Politikwissenschaft, Geschichte und Slavistik in Bonn und Warschau studiert sowie anschließend ein Volontariat beim NDR absolviert.
Das Online-Nachrichtenportal TAGESSCHAU.DE wurde 1996 veröffentlicht und diente zunächst als begleitendes Infoportal zur gleichnamigen Nachrichtensendung der ARD und anderer Nachrichtenangebote von ARD AKTUELL. Heute ist TAGESSCHAU.DE eine der meist aufgerufenen Informationsplattformen, eine Nachrichten-App und ein eigenständiges Medienangebot. Laut eigenen Angaben verzeichnet die Seite etwa 157 Millionen Seitenaufrufe pro Monat. Die Redaktionsleitung hat Juliane Leopold inne, die auch Chefredakteurin Digitales bei ARD-Aktuell ist. Seit 2017 ist über die Website auch das Onlineportal FAKTENFINDER aufrufbar, das Falschinformationen sammelt und einordnet.
Die Perspektive in 30 Sekunden
Die Regierungsverantwortung zwingt die Grünen zu Kompromissen, „die oft schlechter sind als nötig“, beobachtet der Parlamentskorrespondent Tobias Schulze. Die Freiheit, „so radikal zu denken, wie es die Probleme unserer Zeit verlangen“, komme dem Koalitionspartner der CDU in seiner neuen Rolle dabei zusehends abhanden: „Für radikale grüne Politik bleibt kaum Platz“, kritisiert Schulze in der TAGESZEITUNG (TAZ).
In die Regierungsarbeit eingebunden zu sein, gehe angesichts von Sachzwängen und Konsenssuche nicht selten zulasten von inhaltlichen Ansprüchen. „Das macht etwas mit einer Partei und den Menschen, die sie prägen“, mahnt Schulze. Der Parlamentskorrespondent befürchtet daher, dass „der Durchmarsch“ der Grünen, deren Funktionär:innen inzwischen „an so vielen Schalthebeln wie nie“ sitzen, die Partei zusehends von ihren radikalen ökologischen Forderungen entfremde.
Nach Schulzes Geschmack fallen die Zugeständnisse der Grünen bei der Postenverteilung, bei „unambitioniert angegangenen Verteilungsfragen“ und „vagen Klimazielen“ bereits zu groß aus. „Vielleicht wäre es da das Beste für die Grünen, irgendwo auch mal wieder eine Wahl zu verlieren – und zumindest ein bisschen machtlos zu bleiben“, meint Schulze. Irgendwann sei die Partei ansonsten „[z]u stark, um radikal zu sein“ – und dann werde sie ihren Wahlversprechen nicht mehr gerecht.
Anmerkungen der Redaktion
Tobias Schulze ist Parlamentskorrespondent bei der TAZ. Er hat Politikwissenschaften studiert und danach eine Ausbildung bei der Deutschen Journalistenschule absolviert. Für die TAZ schreibt Schulze seit 2013. Zunächst als Bayern-Korrespondent, ab 2014 als Redakteur für Innenpolitik, später als Leiter des Inlandsressorts und mittlerweile als Parlamentskorrespondent.
Die TAGESZEITUNG (TAZ) ist eine überregionale deutsche Tageszeitung. Sie wurde 1978 als alternative, selbstverwaltete Zeitung – unter anderem vom Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele – gegründet. Die Zeitung hat sich besonders in ihrer Anfangszeit an Linke, Studierende, Grüne und die Hausbesetzer-Bewegung gerichtet. Erklärtes Ziel der TAZ ist es seither, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Sie gehört heute zu den zehn größten überregionalen Tageszeitungen in Deutschland, mit einer verkauften Auflage von rund 49.000 Exemplaren (1/2022). Nach eigenen Angaben verzeichne die Webseite TAZ.DE bis zu 12 Millionen Zugriffe monatlich (9/2021). Das Goethe-Institut verortet die TAZ als „grün-linkes“ Blatt und betont besonders die oft sehr kritische Berichterstattung der Zeitung. Eurotopics sieht die TAZ als linkes Medium und stellt die gestaffelte Preisgestaltung und die Entscheidung gegen Online-Bezahlschranken als Besonderheiten der Zeitung heraus. Die TAZ wird genossenschaftlich herausgegeben, jährlich findet eine Generalversammlung statt, an der jedes der zuletzt (2022) rund 22.000 Mitglieder teilnehmen kann.
Die Perspektive in 30 Sekunden
Der Redakteur Robert D. Meyer vermisst im schwarz-grünen Koalitionsvertrag eine erkennbare sozialpolitische Handschrift. Für die Beteiligung einer sozial-ökologisch ausgerichteten Partei sei das zu wenig: „Hier geben die Grünen oft zu schnell nach“, schreibt der Kommentator in der linken Tageszeitung ND (ehemals NEUES DEUTSCHLAND).
Um ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz komme inzwischen keine Partei mit ernsthaftem Regierungsanspruch mehr herum. „Beim Wie aber wird es kompliziert, besonders unter Berücksichtigung des Sozialen“, wendet Meyer ein. Konkrete Antworten auf Fragen der sozialen Gerechtigkeit liefere der Koalitionsvertrag aus Düsseldorf aber mehr schlecht als recht – hier habe das schwarz-grüne Regierungsprogramm häufig nicht mehr als die Möglichkeitsform zu bieten. „Konjunktive bei solch zentralen Fragen aber sind viel zu wenig“, findet Meyer.
„Wer die Grünen als grün lackierte Konservative tituliert, macht es sich zu einfach“, bekennt der Autor. Jedoch müsse die Partei aufpassen, „nicht als Mehrheitsbeschafferin einer CDU zu enden, die behaupten kann, sich rundum zu modernisieren“. Um dem entgegenzuwirken, müsse die Partei nicht nur beim Klimaschutz und in der Energiewende klare grüne Ziele durchsetzen – sondern auch im Sozialen.
Anmerkungen der Redaktion
Robert D. Meyer ist Redakteur bei der linken Tageszeitung ND (ehemals NEUES DEUTSCHLAND). Seine Schwerpunkte liegen auf Ökologie, Tierrechten und Digitalem. Häufig setzt er sich kritisch mit der AfD auseinander. Er positioniert sich in Meinungsartikeln linkspolitisch und bezeichnet sich als Humanist.
ND (ehemals NEUES DEUTSCHLAND) ist eine überregionale Tageszeitung, die einen „Journalismus von links“ vertreten möchte. Im ersten Quartal 2022 hat die verkaufte Auflage des NEUEN DEUTSCHLAND bei knapp 16.600 Exemplaren gelegen. Zu DDR-Zeiten war sie das publizistische Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und gehörte nach der Wende der Partei PDS. Deren Nachfolgepartei DIE LINKE besaß bis Ende 2021 noch 50 Prozent der Anteile an der Zeitung. Seit 2022 wird die Zeitung von einer Genossenschaft herausgegeben und gehört den Leser:innen und Mitarbeiter:innen aus Redaktion und Verlag. ND beschreibt sich selbst als Tageszeitung, „die mit linkem Ideengut über den Tellerrand des journalistischen Alltags hinausdenkt“. Die Konrad-Adenauer-Stiftung bescheinigt der Zeitung eine einseitige Berichterstattung: Marktwirtschaft sei „Kapitalismus“, westliche Außenpolitik „Imperialismus“. Außerdem sei ND DDR-nostalgisch.
„Kommentar: NRW-Koalitionsvertrag enttäuscht in Sachen Tierschutz“
Tierrechte.de, 01.07.2022 - Christina Ledermann
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„Der schwarz-grüne NRW-Koalitionsvertrag enttäuscht in Sachen Tierschutz“, findet Christina Ledermann, die Vorsitzende des Vereins „Menschen für Tierrechte“. Im Tierschutz-Magazin TIERRECHTE appelliert sie an die neue Landesregierung, Klima- und Tierschutz stärker zusammenzudenken – denn ohne einen Paradigmenwechsel in der Massentierhaltung sei nach wissenschaftlichen Erkenntnissen auch das Klima nicht zu retten.
Bedauerlicherweise habe der Koalitionsvertrag die ursprünglichen Parteipositionen der Grünen zum Tierschutz deutlich verwässert: So opferte die Partei das Landwirtschaftsministerium an die Konservativen – womit die Agrarwende laut Ledermann in die weite Ferne rücke. „Auch die Wiedereinführung der Tierschutz-Verbandsklage wurde von der CDU abgeschmettert“, bedauert die Autorin. Diese ist für anerkannte Tierschutzorganisationen wichtig, weil sie es erlaubt, im Falle von Verstößen gegen das Tierschutzrecht stellvertretend für die Tiere zu klagen. Eine weitere „völlige Enttäuschung“ sei der Bereich Tierversuche: Dieser ringe Schwarz-Grün „nur zwei nichtssagende Sätze“ ab.
Zugutehalten könne man der neuen Landesregierung zwar, dass die Haltungsbedingungen von landwirtschaftlich genutzten Tieren verbessert werden sollen – etwa durch tierfreundlichere Außenklimaställe oder die Videoüberwachung in Großschlachtbetrieben. Doch der Koalitionsvertrag ziele nicht im Ansatz darauf ab, der Massentierhaltung ein Ende zu setzen oder die Tierbestände zu reduzieren. Ledermann fordert die Grünen dazu auf, entschlossener für ihr Programm einzustehen: „Denn Klima- und Tierschutz gehören zusammen.“
Anmerkungen der Redaktion
Christina Ledermann ist die Vorsitzende des Vereins „Menschen für Tierrechte“. In dieser Funktion gibt sie auch das Magazin TIERRECHTE heraus und gestaltet die Website TIERRECHTE.DE. Ihr Spezialgebiet liegt im Thema Pferdeschutz, dem sie seit der Kindheit verbunden ist. Sie hatte bereits als Grundschülerin eine Zuchtstute geerbt.
TIERRECHTE.DE ist die Online-Präsenz vom „Verein Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V.“, ein bundesweiter Dachverband mit Sitz in Aachen. Ihm sind 47 Vereine und natürliche Personen angeschlossen. Der Dachverband setzt sich für die Anerkennung und Umsetzung der Rechte der Tiere ein. Er wirkt in mehreren Kommissionen sowie in Beiräten der Landesregierungen mit. Die Tierrechtsorganisation unterstützt die biologisch-vegane Landwirtschaft. Vereinsvorsitzende und Pressereferentin ist Christina Ledermann. Neben der Website TIERRECHTE.DE betreibt der Verein Lobbyarbeit für Tierrechte in der Politik und organisiert Spendenaktionen – beispielsweise auch für Tiere, die unter der Hochwasserkatastrophe 2021 zu leiden hatten.
„Das planen CDU und Grüne für Nordrhein-Westfalen“
Deutschlandfunk, 28.06.2022 - DEUTSCHLANDFUNK-Redaktion
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Die Perspektive in 30 Sekunden
Was genau sieht der neue Koalitionsvertrag für Nordrhein-Westfalen vor? Dieser Frage ist die Redaktion des Hörfunkprogramms DEUTSCHLANDFUNK (DLF) in einem Überblick auf den Grund gegangen – mit folgenden Ergebnissen:
Die Klimaneutralität wird im Koalitionsvertrag großgeschrieben: Nordrhein-Westfalen soll „zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas“ werden. Den Kohleausstieg will die neue Landesregierung bis 2030 schaffen. Zudem sehe das neue Bündnis für die nächsten fünf Jahre mindestens 1.000 neue Windräder vor – ohne Abstandsregel. Auch eine „umfassende Solarpflicht“ soll schrittweise kommen.
In Sachen Mobilität verspreche der Koalitionsvertrag den „Einstieg in eine landesweite Mobilitätsgarantie“ – mit einem preiswerten ÖPNV für alle. Laut der DLF-Redaktion plant das schwarz-grüne Bündnis, alte Bahnstrecken zu reaktivieren, ein landesweites Schnellbusnetz zu schaffen und vergünstigte Tarife anzubieten, etwa für Azubis oder Senior:innen.
In Schule und Kita will die Landesregierung Personal aufstocken. Die Rede ist von 10.000 zusätzlichen Lehrkräften, Gehaltsunterschiede zwischen Grund- und Sekundarschulen sollen angeglichen werden. Für Kitas ist der Einsatz von Alltagshelfer:innen geplant. Außerdem beabsichtige die Koalition, ausländische Abschlüsse anzuerkennen.
Daneben wollen CDU und Grüne das Wahlalter auf 16 Jahre senken. „Dieser Beschluss gehörte bereits zu den größten Überraschungen im Sondierungspapier, hatte doch die CDU sich lange dagegen gesperrt“, führt die DLF-Redaktion aus. Begründet werde der Schritt nun mit der niedrigen Wahlbeteiligung an der Landtagswahl im Mai.
Im Themenkomplex Wohnen soll die Gründung von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und Bau-Genossenschaften stärker unterstützt werden. „Die öffentliche Wohnraumförderung werden wir mindestens auf dem bisherigen Niveau fortsetzen“, kündigt der Vertrag an. Mietpreisgebundenen Wohnraum will die Koalition ausbauen.
Die Sicherheit soll durch jährlich 3.000 zusätzliche Polizistinnen und Polizisten gestärkt werden. „Zudem ist geplant, einen unabhängigen Polizeibeauftragten beim Landtag einzusetzen“, heißt es in dem Überblick. Ferner werde das umstrittene NRW-Versammlungsgesetz unabhängig und wissenschaftlich evaluiert.
Nach dem Hochwasser im Juli 2021 soll auch der Katastrophenschutz weiter gestärkt werden.„Das Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz werden wir novellieren“, schreiben CDU und Grüne in ihrem „Zukunftsvertrag“.
Mit Blick auf die Corona-Pandemie verspricht die Landesregierung, im Falle einer neuen Welle „transparent und möglichst zeitnah“ zu etwaigen Einschränkungen zu kommunizieren. „Wir werden alle möglichen Maßnahmen ergreifen, um Schulschließungen zu vermeiden“, heißt es ferner im Vertrag.
Anmerkungen der Redaktion
Die Perspektive ist von mehreren Redakteur:innen des DEUTSCHLANDFUNKS geschrieben und aufgenommen worden. Nina Voigt ist freie Journalistin und Onlineredakteurin beim DEUTSCHLANDRADIO. Sie ist außerdem Social-Media-Referentin bei der Universität Leipzig und verantwortet dort die digitale Außenkommunikation. Martin Teigeler ist studierter Geschichts- und Sozialwissenschaftler sowie seit 2012 freier Mitarbeiter beim WDR. Felicitas Boeselager ist Landeskorrespondentin für Nordrhein-Westfalen beim DEUTSCHLANDRADIO. Vivien Leue arbeitet als freie Nachrichtenredakteurin seit 2015 für WDR Aktuell und die Aktuelle Stunde des WDR. Gudula Geuther ist studierte Juristin und arbeitet als Hauptstadtkorrespondentin des DEUTSCHLANDFUNKS in Berlin. Katharina Hamberger ist seit 2012 freie Korrespondentin im Hauptstadtstudio von DEUTSCHLANDFUNK, DEUTSCHLANDFUNK KULTUR und DEUTSCHLANDFUNK NOVA.
Der DEUTSCHLANDFUNK ist 1962 als Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegründet worden. Er ist eines der drei bundesweiten Hörfunkprogramme des DEUTSCHLANDRADIOS und hat einen Wortanteil von 80 Prozent. Das Programm beschäftigt sich besonders tagsüber mit tagesaktuellen Geschehnissen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. In den Abendstunden liegt der programmatische Schwerpunkt auf Kulturthemen wie Musik, Hörspielen, Lesungen und entsprechenden Berichten. Der DEUTSCHLANDFUNK sendet klassisch linear, jedoch betreibt er auch eine umfangreiche Audiothek und diverse Podcasts, wo Inhalte auch nicht-linear konsumiert werden können. Laut der Mediaanalyse „ma Audio 2021“ hat der DEUTSCHLANDFUNK im Jahr 2020 täglich rund 2,2 Millionen Zuhörer:innen erreicht.
Die Perspektive in 30 Sekunden
In der Tageszeitung GENERAL-ANZEIGER gibt der Leiter der Redaktion Landespolitik Maximilian Plück einen Überblick über die Ministerinnen und Minister, an deren Seite der wiedergewählte NRW-Landeschef Hendrik Wüst (CDU) seine zweite Amtszeit bestreiten will. Die CDU hat acht Ressorts erhalten, die Grünen vier.
Herbert Reul (CDU) wurde in seinem Amt als Innenminister bestätigt. Zwar verlangte der grüne Bündnispartner dem 69-Jährigen gewisse Zugeständnisse ab – etwa die Erarbeitung einer juristisch einwandfreien Definition von Clankriminalität. Dennoch sei seine Wiederwahl ein klarer Sieg für Reul und für seine „Null-Toleranz-Agenda“.
Auch die Personalie des Arbeits- und Gesundheitsministers ist altbekannt: Karl-Josef Laumann (CDU) bleibt im Amt. Mit der Pandemie, dem andauernden Tarifstreit an nordrhein-westfälischen Unikliniken sowie dem sich zuspitzenden Fachkräftemangel stehen laut Plück aber einige Themenfelder „mit Sprengkraft“ auf dessen Agenda.
Als neue Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin wurde die Landrätin des Kreises Kleve, Silke Gorißen (CDU), ernannt. Zwar bezeichnet Plück es für die Grünen als „Sündenfall“, dass sie dieses Ressort nicht besetzen. „Aber durch die Herauslösung wird vor allem vermieden, dass die ländliche, überwiegend CDU-affine Bevölkerung zu große Vorbehalte gegen Schwarz-Grün entwickelt.“
Das NRW-Bildungsministerium, das laut Plück „wie eine heiße Kartoffel behandelt“ wurde, geht an Dorothee Feller (CDU). Die vorherige Regierungspräsidentin von Münster hat das Thema Schule bereits in den Koalitionsverhandlungen für die CDU mitverhandelt. „Feller wird auch aufseiten der Grünen sehr geschätzt und fiel in den Verhandlungen als Pragmatikerin, nicht als Ideologin auf“, so der Autor.
Mit Ina Brandes (CDU) holt Wüst seine ehemalige Verkehrsministerin in sein neues Kabinett – wenn auch mit einem neuen Aufgabenbereich: Sie führt künftig das Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Laut Plücks Recherchen hat die Baumanagerin in der Vergangenheit ein Fernstudium der Schriftstellerei absolviert.
Die ehemalige NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung Ina Scharrenbach (CDU) bleibt im Amt, tritt aber die Gleichstellung an die Grünen ab. Anstelle dessen verantwortet sie zukünftig auch den Komplex der Digitalisierung: Sie ergänzt das Kabinett also als Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung.
Weil der Niederrhein sich laut Plück nicht ausreichend berücksichtigt sah, geht das Finanzministerium an den Landtagsabgeordneten, Fraktionvize – und Rheinländer – Marcus Optendrenk (CDU). Unter dem vorherigen Amtsinhaber Lutz Lienenkämper (CDU) habe das Ministerium „ein mediales Schattendasein“ geführt. „Das könnte sich unter der neuen Führung ändern“, prognostiziert Plück.
Neuer Chef der Staatskanzlei und Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien ist Nathanael Liminski (CDU). Der ehemalige Staatssekretär habe schon Armin Laschet (CDU) den Rücken freigehalten. „Beim Koalitionspartner gibt es massive Vorbehalte gegen Liminski wegen früherer Äußerungen zum Thema Homosexualität, die allerdings weit zurückliegen“, merkt Plück an.
An die Spitze des Ministeriumsfür Wirtschaft, Industrie, Klima und Energie rückt die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne). Der Ministerposten ist ihr erstes exekutives Amt, auch ein Mandat hatte sie in der Vergangenheit nicht inne. Plück verweist jedoch auf ihr gutes Netzwerk und auf ihre Erfahrungen im Energiesektor: „Sie arbeitete lange für den Öko-Energieanbieter Naturstrom.“
Das 2022 gegründete Ministerium für Kinder, Jugend und Familie, Gleichstellung, Integration und Flucht wird von Josefine Paul (Grüne) angeführt. Die Co-Chefin der Grünen-Landtagsfraktion war zuvor familienpolitische Sprecherin. Auf die ehemalige Lehrerin warten künftig drängende Aufgaben wie die Integration der Ukraine-Geflüchteten und die Behebung des Erzieherinnen-Mangels in NRW.
Das neue Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr übernimmt der Bundespolitiker Oliver Krischer (Grüne). Laut Plück stach der Ornithologe den Kölner Verkehrsexperten Arndt Klocke aus. „Er selbst bringt allerdings einiges an verkehrspolitischer Expertise mit“, so der Autor. Krischers Herzensanliegen sei jedoch das Artensterben. „Konflikte mit dem Landwirtschaftsministerium dürften hierbei programmiert sein“, gibt Plück zu bedenken.
Den neuen NRW-Justizminister – den Bonner Benjamin Limbach (Grüne) – bezeichnet Plück als „die eigentliche Überraschung des Grünen-Personaltablaeus“. Limbach war zuletzt Präsident der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Zuvor arbeitete der Grünen-Politiker unter anderem als Referatsleiter und Büroleiter im NRW-Justizministerium. „In seiner neuen Rolle wird er als Gegenpart zu Innenminister Herbert Reul wahrgenommen werden“, erwartet Plück.
Anmerkungen der Redaktion
Maximilian Plück ist Journalist und Leiter der Redaktion Landespolitik der RHEINISCHEN POST. Dort hat Plück volontiert und später als Blattmacher in der politischen Nachrichtenredaktion gearbeitet. Der studierte Betriebswirt hat zuvor unter anderem bei der DPA, REUTERS und der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND gearbeitet. Bevor er seine journalistische Karriere begann, hat Plück im Büro eines Bundestagsabgeordneten, später bei einem US-Senator in Washington gearbeitet.
Der GENERAL-ANZEIGER ist eine regionale Tageszeitung im Raum Bonn. Sie unterhält neun verschiedene Lokalausgaben, erscheint mit einer Gesamtauflage von rund 56.800 Exemplaren (1. Quartal 2022). Laut eigenen Angaben werden mit dem Online-Angebot rund 1,7 Millionen Leser:innen pro Monat erreicht. Der Generalanzeiger gehört seit 2018 zur Mediengruppe der RHEINISCHEN POST. Die RHEINISCHE POST ist eine regionale Tageszeitung, deren Schwerpunkt in der Berichterstattung über Nordrhein-Westfalen liegt. Laut einem Ranking von KRESS.DE war die RHEINISCHE POST die zweitmeist zitierte Regionalzeitung Deutschlands.