E-Scooter in NRW: Stadtplage oder Booster für die Mobilitätswende?
Kurzfassung
Für die einen sind sie ein Ärgernis – für die anderen ein wichtiger Beitrag zur Verkehrswende: An E-Scootern scheiden sich derzeit die Geister. In vielen deutschen Städten gehören die rund 20 km/h schnellen Elektrokleinstfahrzeuge zum alltäglichen Stadtbild. Das Problem dabei: Oft sind die E-Scooter nicht an den Stellen vorzufinden, an denen sie eigentlich vorkommen sollten.
Bis zu 500 E-Scooter im Kölner Rhein
So landen immer wieder etliche E-Scooter im Rhein – laut Angaben des WDR befanden sich 2021 allein in Köln wohl bis zu 500 E-Scooter auf dem Grund des Flusses. Da die Gerätschaften nicht unbedingt als Amphibienfahrzeuge konzipiert sind und die Leihfirmen keine Verantwortung für zweckentfremdete E-Scooter übernehmen, müssen diese immer wieder von ehrenamtlichen Helfer:innen geborgen werden, so zuletzt erst am 20. Juli, wo der Verein Krake mehr als 20 E-Scooter aus dem Wasser fischte. Doch auch an anderen Orten lassen sich E-Scooter finden. Beispielsweise auf Gehwegen: oft in liegender Form oder sich durch die Passant:innen durchschlängelnd – beides übrigens nicht erlaubt.
„Die [Fußwege] sind jetzt zu Parkräumen, Abstellräumen und Unfallräumen für Elektro-Roller entwertet worden. Und damit haben diese Geräte mehr bestehende Mobilität vernichtet, als sie neue geschaffen haben“, kritisiert der Stadtplaner und Vorsitzende des Fußgängerschutzvereins FUSS e.V., Roland Stimpel. Die Verleiher der E-Scooter sehen eher die Stadtverwaltungen in der Pflicht: Denn E-Scooter müssen per Gesetz auf den Gehwegen geparkt werden. Das Problem seien weniger die E-Scooter auf Fahrrad- und Fußwegen – sondern die großen Straßen für Autos. Richtig eingesetzt könnten die E-Roller einen Booster für die Mobilitätswende weg vom Auto darstellen, so beispielsweise Peter Russ vom E-Scooter-Verleih „Tier Mobility“.
Haben die E-Scooter-Verleiher recht damit? Können die Scooter ein Booster für die Verkehrswende sein?
Acht Perspektiven
„Gebt E-Scootern eine Chance: Wer sie richtig nutzt, kann nachhaltig mobil sein“
BW24, 12.07.2022 - Sina Alonso Garcia
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Die Perspektive in 30 Sekunden
„Wenn die Roller gewissenhaft genutzt werden und man nicht mitten in der Innenstadt auf einer vielbefahrenen Straße fährt, können sie eine gute Sache sein“, stellt Sina Alonso Garcia klar. Die Online-Redakteurin von BW24 findet: Für Menschen, die ebene und nicht allzu stark befahrene Strecken zurücklegen möchten, sei ein E-Roller eine gute Alternative zum Auto.
Wenn es gelinge, Wege mit dem Auto durch Wege mit dem E-Scooter zu ersetzen, könnten die E-Scooter einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende leisten, glaubt die Online-Redakteurin: „Wenn es also darum geht, auf lange Sicht Alternativen zum Pkw zu finden, sind E-Scooter sehr wohl ein Lösungsansatz.“
Einen Vorschlag zur Erreichung dieses Ziels hat Garcia auch parat: E-Scooter sollten statt in den Innenstädten eher in den Außenbezirken einer Stadt aufgestellt werden. Dann könne man mithilfe der E-Scooter zur Bahn fahren, die einen dann in die Stadt transportiere. Das könne die PKW-Nutzung nachhaltig reduzieren. „Staat den E-Scooter als Alternative fürs Auto abzuschreiben, sollte die Politik dafür sorgen, dass die Scooter nicht nur im Kern von Großstädten angeboten werden, wo der ÖPNV meistens eh gut ausgebaut ist“, fordert Garcia daher.
Anmerkungen der Redaktion
Sina Alonso Garcia ist Online-Redakteurin für BW24.DE. Sie arbeitet in der Zentralredaktion Südwest von Ippen Digital in Stuttgart und schreibt hauptsächlich über Themen in und rund um Baden-Württemberg. Sie hat Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim studiert. Nach mehreren Praktika in der Unternehmenskommunikation hat sie ein Volontariat bei der STUTTGARTER ZEITUNG absolviert und ist später zu Ippen Digital gewechselt, für die sie seit 2020 arbeitet.
BW24 ist ein digitales Anzeigeblatt, das zu IPPEN DIGITAL gehört. BW24 berichtet über Themen in Baden-Württemberg und besonders der Region Stuttgart. Es werden politische, wirtschaftliche und kulturelle Themen abgebildet. Seit 2015 ist Robin Thiemann Geschäftsführer bei BW24, der außerdem im Verwaltungsrat von IPPEN DIGITAL sitzt. IPPEN DIGITAL ist der digitale Nachrichtenkonzern des Verlegers Dirk Ippen, der unter anderem auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU herausgibt. Dirk Ippen stand unter anderem im Oktober 2021 in der Kritik, weil er einen Bericht seines Investigativ-Teams über den Ex-BILD-Chefredakteur Julian Reichelt in letzter Sekunde verboten hatte. Daraufhin kündigte das gesamte Investigativ-Team Anfang 2022.
Die Perspektive in 30 Sekunden
Investigativ-Reporterin Anette Dowideit sieht in den E-Scootern ein enormes Zukunftspotential. „In ihnen manifestiert sich eine moderne, selbstbestimmte Gesellschaft, die technischen Fortschritt nutzt, um dem schnelllebigen Alltag gewachsen zu sein“, meint Dowideit in einem Pro- und Contra-Beitrag in der liberal-konservativen WELT.
Dowideit weist darauf hin, dass E-Scooter vor allem dazu dienten, „den sogenannten letzten Kilometer von der S- oder U-Bahn-Station nach Hause zu überbrücken, den man sonst laufen müsste.“ Das könne verhindern, dass Menschen das eigene Auto oder den Uber-Fahrdienst statt der öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. E-Scooter tragen laut Dowideit also zu einer umweltfreundlicheren Fortbewegung bei. „E-Tretroller sind von den Straßen nicht mehr wegzudenken und das sollten sie auch nicht sein.“ Einer Studie des Umweltbundesamts zufolge ist dieser Effekt allerdings bisher recht gering – die meisten Menschen wären eher zu Fuß gegangen oder hätten öffentliche Verkehrsmittel statt eines E-Scooters genutzt.
Die Beschwerden über die E-Scooter – dass sie ungünstig geparkt würden, in Flüssen landeten und zu Unfällen führten – träfen auch auf andere Verkehrsmittel zu, betont Dowideit und wischt das Argument beiseite, E-Roller führten zu großem Chaos und Umweltverschmutzungen: „Auch Autos parken falsch, auch Leihfahrräder landen in Gewässern.“ Ein Verbot der E-Roller wäre daher „ein Fehler und unfair gegenüber den vernünftigen Fahrern“.
Anmerkungen der Redaktion
Anette Dowideit ist Journalistin und Chefreporterin des Investigativteams bei der WELT. Das journalistische Handwerk erlernte Dowideit an der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft, ehe sie ein Volkswirtschaftsstudium an der Universität zu Köln nachlegte. Zunächst als Wirtschaftskorrespondentin in Frankfurt am Main und USA-Korrespondentin in New York tätig, arbeitet Dowideit nun seit über zehn Jahren als Investigativjournalistin.
DIE WELT ist eine überregionale Tageszeitung mit Sitz in Berlin, die zum Axel Springer Konzern gehört. Sie wurde 1946 gegründet und erschien zuletzt in einer verkauften Auflage von etwas mehr als 86.000 Exemplaren (1/2022). Anfang 2010 lag diese noch bei über 250.000. Chefredakteurin der WELT ist seit dem 1. Januar 2022 Jennifer Wilton. EUROTOPICS bezeichnet die WELT als konservativ. In ökonomischen Fragen positioniert sich die Zeitung meist wirtschaftsliberal. Das Goethe-Institut urteilt, die WELT ziele in ihrer Printausgabe auf „mittelständische Unternehmer und Selbstständige, die konservative Werte schätzen“. WELT-Autor:innen bekennen sich zu den Leitlinien des Axel-Springer-Verlages, die unter anderem ein Eintreten für „die freie und soziale Marktwirtschaft“ sowie Solidarität mit den USA und Israel fordern.
„„Ich sehe wenig Chaos““
Die Zeit, 05.04.2022 - Wayne Ting, Sören Götz, Jurik Caspar Iser
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Die Perspektive in 30 Sekunden
„Wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz, brauchen wir weniger Autos und mehr Mikromobilität“, fordert Lime-Chef Wayne Ting. Lime gilt als eine der führenden Firmen im Verleih von E-Rollern und E-Bikes. Denn E-Roller verursachen laut dem Lime-CEO bei einer durchschnittlichen Fahrt rund sieben Prozent der CO2-Emissionen eines Autos bei derselben Fahrtstrecke.
„Laut Bundesverkehrsministerium ist die Hälfte aller Autofahrten in Deutschland kürzer als fünf Kilometer, ein Viertel sogar unter zwei Kilometer – das ist die perfekte Distanz für Scooter und Fahrräder“, stellt Ting klar. Auch E-Autos seien die Scooter bei solchen Distanzen überlegen – denn im Vergleich zu E-Autos brauchen die Scooter weniger Strom.
„Das Ziel ist, dass Menschen ihr Auto aufgeben. Kopenhagen und Amsterdam zeigen, wie es geht“, zeigt sich Ting überzeugt. Kopenhagen und Amsterdam seien auch nicht immer die Fahrradstädte gewesen, als die sie heute gelten. Die Politik habe hier eingegriffen und die Städte nachhaltiger und umweltfreundlicher gestaltet. Ähnliche Bedingungen müsse die Politik in Deutschland nun für die E-Roller schaffen, fordert Ting.
Anmerkungen der Redaktion
Wayne Ting ist ein US-amerikanischer Investor und Geschäftsführer des Unternehmens Lime, das E-Scooter und E-Bikes vermietet. Er hat einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften an der Columbia University sowie einen Master an der Harvard University absolviert. Danach hat er unter anderem für die Investmentfirma Bain Capital und die Unternehmensberatung McKinsey & Company gearbeitet. Unter Präsident Barack Obama arbeitete Ting als Senior Policy Advisor im Nationalen Wirtschaftsrat, dem Wirtschaftsgremium der Vereinigten Staaten.
Sören Götz studierte nach seinem Freiwilligendienst in Malawi Politik, Wirtschaft und Germanistik an der Universität Mannheim. Neben seinem Bachelorstudium arbeitete er als Freelancer für den MANNHEIMER MORGEN. Für seinen Master ging er nach München und studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität Journalismus. Parallel besuchte er die Deutsche Journalistenschule und war beim MÜNCHNER MERKUR als freier Journalist tätig. Seit 2018 ist er Redakteur für Mobilität bei der ZEIT.
Jurik Caspar Iser ist Redakteur im Ressort Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei ZEIT ONLINE. Der studierte Sozialwissenschaftler und Volkswirt hat die Deutsche Journalistenschule absolviert und als freier Autor unter anderem für die WIRTSCHAFTSWOCHE und den WDR 5 gearbeitet. Während seines Studiums schrieb er für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und die Nachrichtenagentur REUTERS. Bei der ZEIT ist Iser seit 2018.
DIE ZEIT ist die größte deutsche Wochenzeitung und hat ihren Sitz in Hamburg. DIE ZEIT erscheint seit 1946 und wurde von ihren ersten beiden Chefredakteuren Ernst Samhaber und Richard Küngel zunächst als rechts-konservatives Blatt ausgelegt. Erst in den 1960er Jahren wurde die Wochenzeitung durch Marion Gräfin Dönhoff und den langjährigen Chefredakteur Theo Sommer als liberales Medium ausgerichtet. Dönhoff prägte DIE ZEIT bis 2002 und hat sie von 1968 bis 1972 herausgegeben, ab 1983 gemeinsam mit Altkanzler Helmut Schmidt (SPD). In gesellschaftspolitischen Fragen gilt DIE ZEIT als grundsätzlich (links-)liberal, hat allerdings auch viele Gastbeiträge aus dem gesamten Meinungsspektrum oder stellt Beiträge mit gegensätzlichen Meinungen gegenüber. Der NDR urteilt, DIE ZEIT gelte als „Blatt der Akademiker und Intellektuellen“ — und sei damit durchaus erfolgreich. Tatsächlich gehört DIE ZEIT zu den wenigen deutschsprachigen Printmedien, die seit der Digitalisierung an Auflage gewonnen haben. Zuletzt lag diese bei knapp 611.000 Exemplaren (1. Quartal 2022).
„Regeln für E-Scooter sind überfällig“
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 05.04.2022 - Mechthild Harting
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Die Perspektive in 30 Sekunden
An die Stelle anfänglicher Begeisterung für die E-Scooter sei allgemeine Ernüchterung getreten, kommentiert Mechthild Harting, Redakteurin für Kommunalpolitik in der Rhein-Main-Redaktion der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. „Die Vorstellung, man könne einfach ein weiteres Fortbewegungsmittel in den Großstädten zulassen, in denen jeder Quadratmeter umkämpft ist“, klinge aus heutiger Sicht „fast naiv“.
Mittlerweile habe sich gezeigt, wie „äußerst rabiat“ die Nutzer:innen mit den E-Scootern umgehen, kritisiert Harting. Dutzendweise müsse man die Gefährte aus Flüssen „fischen“, und willkürlich abgestellte E-Scooter verursachten Chaos in den Innenstädten. Wer darunter am meisten zu leiden habe: „Fußgänger, Kinder, Mobilitätseingeschränkte und Radfahrer“.
Dieser „Wildwuchs“ sei nicht länger zu akzeptieren gewesen. Daher begrüßt Harting beispielhafte Entwicklungen wie diejenige in Frankfurt. Aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung muss die Stadt Frankfurt nun Abstellflächen für die Roller bereitstellen.
Anmerkungen der Redaktion
Mechthild Harting ist Journalistin und Redakteurin bei der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG (FAZ). Die studierte Germanistin und Historikerin begann ihre journalistische Karriere mit einem Volontariat beim hessischen DIEBURGER ANZEIGER. Über die Pressestelle des Bundes der Steuerzahler in Düsseldorf und den Radiosender FFH kam Harting schließlich 1997 zur Rhein-Main-Redaktion der FAZ. Dort verfasst sie Beiträge über die Region und die Frankfurter Kommunalpolitik.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) ist eine deutsche überregionale Tageszeitung. Sie ist 1949 gegründet worden und wird zu den deutschen Leitmedien gezählt. Dies sind Medien, die einen besonderen Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf andere Massenmedien ausüben. Laut Eigenangabe steht sie „für den Erhalt und die Stärkung der demokratischen Ordnung und der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland“. Die FAZ gilt als liberal-konservatives Blatt. THE EUROPEAN schreibt über die „drei Gesichter“ der FAZ: Sie habe einen eher konservativen, staatstragenden Politikteil, ein linksliberales Feuilleton und einen liberalen Wirtschaftsteil. Die verkaufte Auflage der Zeitung lag zusammen mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG im ersten Quartal 2022 bei rund 411.000 Exemplaren. Laut der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF) hatte der Webauftritt der FAZ, FAZ.NET, im August 2021 rund 16 Millionen Besucher:innen zu verzeichnen.
Die Perspektive in 30 Sekunden
Gerade für Menschen mit einer Behinderung seien E-Scooter derzeit eine Gefahr, meint TAZ-Berlin-Redakteur Claudius Prösser in der linken Tageszeitung. „Tausende von Miet-E-Scootern stehen und liegen an und auf Berlins Gehwegen“, schildert Prösser die Lage in der Hauptstadt. In anderen Großstädten sieht die Lage allerdings nicht anders aus. Gerade für blinde und körperlich eingeschränkte Menschen sei das ein großes Ärgernis.
Die Reaktion in Berlin: Der Fußgängerschutzverein (FUSS e.V.) habe sich mittlerweile mit anderen Organisationen wie dem Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverband und dem Landesseniorenbeirat zu einer Art „Anti-Roller-Bündnis“ zusammengeschlossen. Die drei Verbände könnten in nächster Zeit vor Gericht sogar ein vollständiges Verbot der Elektroroller erwirken – durchaus nicht ohne Grund, findet Prössel.
Denn auch für andere Bürger:innen seien die E-Roller ein Ärgernis – zumindest für den Geldbeutel. Denn die auf den Wegen liegenden Scooter müssen händisch von der Stadtverwaltung „umgesetzt“ werden: Das koste die Steuerzahler:innen einiges an Geld. Die Verleiher von E-Scootern können dafür mit den bisherigen Regelungen nicht in Haft genommen werden.
Anmerkungen der Redaktion
Claudius Prösser ist Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz bei der TAZ in der Berlin-Redaktion. Für die TAZ schreibt der seit 1991 in Berlin lebende Journalist seit 2001. In seinen Artikeln setzt Prösser sich häufig mit der Berliner Mobilitäts- und Müllpolitik auseinander.
Die TAGESZEITUNG (TAZ) ist eine überregionale deutsche Tageszeitung. Sie wurde 1978 als alternative, selbstverwaltete Zeitung – unter anderem vom Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele – gegründet. Die Zeitung hat sich besonders in ihrer Anfangszeit an Linke, Studierende, Grüne und die Hausbesetzer-Bewegung gerichtet. Erklärtes Ziel der TAZ ist es seither, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Sie gehört heute zu den zehn größten überregionalen Tageszeitungen in Deutschland, mit einer verkauften Auflage von rund 49.000 Exemplaren (1/2022). Nach eigenen Angaben verzeichne die Webseite TAZ.DE bis zu 12 Millionen Zugriffe monatlich (9/2021). Das Goethe-Institut verortet die TAZ als „grün-linkes“ Blatt und betont besonders die oft sehr kritische Berichterstattung der Zeitung. Eurotopics sieht die TAZ als linkes Medium und stellt die gestaffelte Preisgestaltung und die Entscheidung gegen Online-Bezahlschranken als Besonderheiten der Zeitung heraus. Die TAZ wird genossenschaftlich herausgegeben, jährlich findet eine Generalversammlung statt, an der jedes der zuletzt (2022) rund 22.000 Mitglieder teilnehmen kann.
„Warum E-Scooter dem Klima mehr schaden als nützen“
National Geographic, 03.01.2022 - Deborah Roth
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Aus zweierlei Grünen schaden E-Scooter dem Klima sogar mehr, als dass sie es entlasten, stellt Wissenschaftsjournalistin Deborah Roth im populärwissenschaftlichen Magazin NATIONAL GEOGRAPHIC heraus. Für ihre Kritik führt sie eine Studie der Eidgenössischen Technischen Universität (ETH) in Zürich an.
Erstens ersetzten E-Scooter hauptsächlich Fortbewegungsarten wie Zu-Fuß-Gehen, das Fahrrad oder den öffentlichen Nahverkehr, zitiert Roth das Forschungsteam. „Und diese Fortbewegungsarten sind deutlich umweltfreundlicher als Elektroroller.“ Zu diesem Schluss komme die ETH-Studie, die für ihre Untersuchung rund 65.000 Fahrten mit acht verschiedenen Verkehrsmitteln rekonstruierte.
Zweitens sei in puncto Klima „Besitzen besser als Teilen“, argumentiert Roth. E-Scooter werden in den Großstädten vor allem über Sharing-Plattformen geteilt, was deren Umweltbilanz deutlich verschlechtere. Denn mit Fahrzeugen im privaten Besitz gehe man einfach sorgfältiger um. Die Studie zeige demnach, „dass private Scooter im Schnitt mehr als doppelt so lange im Einsatz bleiben, bevor sie gewartet oder ersetzt werden müssen.“
Anmerkungen der Redaktion
Deborah Roth ist Wissenschaftsjournalistin und schreibt unter anderem Beiträge für das populärwissenschaftliche Magazin NATIONAL GEOGRAPHIC. Roth beschäftigt sich dabei mit einer Vielzahl von Ressorts, im Vordergrund stehen die Themen Kultur, Umwelt und Archäologie. Ihren Master of Science in Geowissenschaften hat Roth an der Universität in Köln erworben.
NATIONAL GEOGRAPHIC ist ein monatlich erscheinendes populärwissenschaftliches Magazin der National Geographic Society mit Sitz in Washington, D.C. Es gilt als ältestes und berühmtestes Natur- und Wissensmagazin der Welt. NATIONAL GEOGRAPHIC ist außerdem durch seinen Pay-TV-Fernsender bekannt, einem Joint Venture zwischen der Walt Disney Company und der National Geographic Society. Der Sender hat sich auf die Produktion und Ausstrahlung von Dokumentationen spezialisiert und ist seit 2004 auch in Deutschland empfangbar. Seit 2009 unterhält er eine eigene deutschsprachige Ausgabe, die auf der Pay-TV-Plattform Sky Deutschland ausgestrahlt wird.
„„Dieses Chaos gibt es nur in Deutschland““
Wirtschaftswoche, 13.10.2021 - Thibault Castagne, Steffen Ermisch
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„Das große Chaos gibt es nur in Deutschland. Das Kernproblem ist, dass die Anbieter machen dürfen, was sie wollen“, erklärt der Start-Up-Gründer Thibault Castagne das deutsche E-Scooter-Problem. Castagne ist Gründer eines Startups, mit dem Verwaltungen Regeln für E-Scooter-Verleiher erlassen und deren Einhaltung gleich kontrollieren können.
In anderen Ländern seien E-Scooter viel reibungsloser in den Stadtverkehr integriert: „In Stockholm zum Beispiel gab es genau dieselbe Diskussion wie in Deutschland. Dann hat man eigene Parkflächen für E-Scooter eingerichtet und die Betreiber setzen ihren Kunden Anreize, diese auch zu nutzen“, erläutert Castagne im Interview mit Steffen Ermisch von der WIRTSCHAFTSWOCHE. In Paris sei es sogar verboten, die Roller auf Bürgersteigen abzustellen. Gleichzeitig wurden mehr als 2000 Auto-Parkplätze nun für E-Roller bereitgestellt.
Gleichzeitig könne man die Bewegungsdaten der E-Scooter-Anbieter nutzen, um die Stadtplanung voranzutreiben. So habe man diese Information beispielsweise in Brüssel genutzt, um rund 14 Kilometer neue Radwege auszuweisen. „Der Effekt ist enorm: Auf den Strecken sind nun fünf Mal so viele Menschen mit dem Rad oder mit E-Scootern unterwegs“, erinnert sich Castagne.
Anmerkungen der Redaktion
Thibault Castagne ist Gründer und CEO der Mobilitätsdatenplattform Vianova, die laut Selbstbeschreibung Städten und Betreibern hilft, die Zukunft des Verkehrs zu gestalten. Vianova bietet eine umfangreiche Übersicht von E-Sharing-Plattformen für E-Roller in Städten europaweit an. Außerdem bietet das Mobilitätsnetzwerk Städten anhand von gesammelten Daten Hilfestellungen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur an. So lieferte Vianova zum Beispiel der Stadt Brüssel einen Plan zu Verbesserung der Einhaltung von Parkvorschriften und der Stadt Zürich ein Modell, wie verschiedene Fortbewegungsmittel am besten in Einklang gebracht werden können. Bis heute vereint das französische Start-up 30 Städte und 50 Mobilitätsanbieter sowie viele Drittanbieter. Zuvor war Castagne auf den Finanzmärkten tätig, wo er Investitionsentscheidungen traf und Datenmodelle für große Banken und Hedgefonds entwickelte. Castagne hat einen Abschluss als Industrie- und Finanzingenieur an dem Institut national des sciences appliquées de Lyon (INSA) und an der University zu Illinois erworben.
Steffen Ermisch ist freier Journalist mit Schwerpunkt auf das Ressort Wirtschaft. Er schreibt Beiträge unter anderem für das HANDELSBLATT, IMPULSE und die WIRTSCHAFTSWOCHE (WIWO). Dabei beschäftigt sich Ermisch häufig mit technischen Innovationen und ihren Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Das journalistische Handwerk erlernte Ermisch an der Journalistenschule in seiner Heimatstadt Köln.
Die WIRTSCHAFTSWOCHE ist eine seit 1926 bestehende überregionale Wochenzeitung mit Sitz in Düsseldorf, deren verkaufte Auflage zuletzt bei etwas über 100.000 lag (1/2022). Sie erscheint im Handelsblatt Verlag, der mit dem HANDELSBLATT eine weitere renommierte Wirtschaftszeitung herausgibt. In ihrer Ausrichtung gilt die Zeitung als wirtschaftsliberal. Die WIRTSCHAFTSWOCHE gehört zu den Pflichtblättern an den Börsen in Düsseldorf und Frankfurt und erfährt Aufmerksamkeit vor allem über ihre Berichterstattung mit Rankings, etwa zu Hochschulen oder Städten. Der Vermarkter Iq Media zeichnet die Hauptzielgruppe der WIRTSCHAFTSWOCHE als männlich, mittelständisch und überdurchschnittlich wohlhabend.
„Viele Frauen meiden E-Scooter – warum das ein Problem ist“
SRF, 03.06.2022 - Katharina Schlittler, Corinna Daus
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Die Perspektive in 30 Sekunden
In vielen gesellschaftlichen Bereichen gibt es einen Gender-Gap: Meist sind Frauen im Vergleich zu Männern benachteiligt. So auch im Bereich der Mobilität – am stärksten im Bereich der E-Scooter, erläutert SRF-Redakteurin Corinna Dauss. „Nur rund 15 bis 20 Prozent unserer Nutzenden sind Frauen“, erklärt beispielsweise die Brancheninsiderin und Managerin für die Schweiz des schwedischen E-Scooter-Anbieters VOI, Katharina Schlittler. Laut einer Studie der E-Scooter-Firma Dott finden sich die gleichen Effekte auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien oder Großbritannien. Eine Studie, die sich explizit mit dem deutschen Gender-Gap auseinandersetzt, gibt es noch nicht.
Der Gender-Gap habe mehrere Gründe, erklärt Schlittler. Erstens seien es vor allem Männer, die die Roller designen und konzipieren. Das habe beispielsweise zur Folge, dass die Bremsen für kleinere Hände nur schwer zu erreichen seien – und die Anfahrgeschwindigkeit für viele Frauen zu hoch. Zweitens werde der Betrieb der E-Scooter auf Männer optimiert. „Weil vor allem Männer die E-Scooter nutzen, gibt es auch vor allem Daten von männlichen Nutzern – dementsprechend werden diese immer weiter bedient: Fahrzeuge werden in ihrem Sinne optimiert oder sie werden dort bereitgestellt, wo besonders Männer sie brauchen“, erklärt Journalistin Dauss.
Die Roller stehen daher laut der E-Scooter-Expertin Schlittler meist vor Fußballstadien oder an öffentlich weniger zugänglichen Plätzen. Dort trauen sich Frauen aber häufig gar nicht hin, meint Dauss. Die Lösung laut Expertin Schlittler: „Man muss bereits in der Entwicklung Frauen dabei haben, damit die Fahrzeuge inklusiver gestaltet werden können.“
Anmerkungen der Redaktion
Katharina Schlittler arbeitet als Landesmanagerin für die Schweiz bei Voi Technology, einer Leihfirma für E-Scooter. Sie hat in Bern Wirtschaft und Management studiert sowie in St. Gallen einen Master in Wirtschaftsinnovation absolviert. Später ist sie für die Buch- und Wirtschaftsprüfungsfirma EY tätig gewesen. Seit 2021 arbeitet Schlittler für Voi.
Corinna Daus ist Journalistin und arbeitet beim SCHWEIZER RADIO UND FERNSEHEN (SRF) als Themenplanerin und Redakteurin im Webportal „Wissen“. Sie hat in Leipzig Kommunikations- und Medienwissenschaft studiert und anschließend als Redakteurin bei ARTE gearbeitet, später als Chefin vom Dienst. Von dort wechselte sie 2011 zum SRF, wo sie zunächst als Multimedia-Redakteurin im Bereich „Wissen“ angestellt gewesen ist. Von 2019 ist sie publizistische Planerin des Kulturprogramms gewesen, seit 2021 ist sie Themenplanerin und Redakteurin.
Das SCHWEIZER RADIO UND FERNSEHEN (SRF) ist ein öffentlich-rechtlicher Sender. Die SRF ist eine Tochtergesellschaft der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Zuletzt hatte es umfassende Reformen und Einsparungen gegeben, da in der Schweizer Bevölkerung Widerstand gegen die Rundfunkgebühren aufgekommen war. Für Aufsehen hatte der SRF mit einem Interview mit Syriens Machthaber Baschar al-Assad gesorgt, wie MEEDIA berichtete. Die Sender der SRG arbeiten mit 40 Auslandskorrespondent:innen auf sechs Kontinenten.