Am 23. Mai 1949 kam nach Monaten die Arbeit des Parlamentarischen Rats zum Abschluss, der damit beauftragt worden war, eine neue demokratische Verfassung für den neuen westdeutschen Staat zu erarbeiten. In diesem Jahr feiern wir sein 75-jähriges Jubiläum.
Das Ergebnis, das Grundgesetz, prägt unser heutiges Zusammenleben in vielfältiger Weise. In unserer Verfassung werden schließlich die Grundlagen unserer Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, unsere Freiheitsrechte und vieles Weitere knapp und doch präzise verbrieft. Nach den Schrecken des dritten Reichs war das Grundgesetz ein Neuanfang, der seine Lehren aus dem Scheitern der Weimarer Republik zog. Die Frage, wie die Demokratie des Grundgesetzes auch gegen Angriffe ihrer Feinde geschützt werden kann, spielt eine zentrale Rolle im Verfassungstext und ist heute aktueller denn je.
Das Grundgesetz gilt, bei aller kritischen Betrachtung, als Erfolg, der auch im Ausland vielfach positiv gewürdigt wird. Doch auch der schönste und beste Verfassungstext ist kein Selbstläufer, wichtig ist immer auch Verfassungspraxis: Demokratie muss gelebt und die Werte und Normen des demokratischen Rechtsstaats nicht als Selbstverständlichkeit hingenommen werden. Das bedeutet Arbeit, Tag für Tag, und auch Weiterentwicklung. Und ein Einstehen für diese Werte, wenn sie von den Feinden der Demokratie in Frage gestellt werden.
Auf dieser Seite präsentieren wir verschiedene Angebote zum Thema.
Nordrhein-Westfalen und der Parlamentarische Rat
Der Parlamentarische Rat tagte von September 1948 bis Juni 1949 in Bonn und hatte 70 Abgeordnete. Der Landtag wählte die Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen ohne eigens erstelltes Wahlgesetz auf Basis der Vorschläge der Parteien. Die Abgeordneten für den Parlamentarischen Rat mussten keine Parlamentsangehörigen sein, waren aber häufig Fraktionsmitglieder des Landtags. Mit 18 Abgeordneten stellte Nordrhein-Westfalen die meisten Mitglieder des Parlamentarischen Rates, gefolgt von Bayern mit 13. Die Abgeordnetenzahl der einzelnen Bundesländer wurde durch die Einwohnerzahl bestimmt. So sollte ein Abgeordneter circa 750.000 Einwohner vertreten. Von den 18 Mitgliedern aus NRW kamen sechs von der CDU, sechs von der SPD, einer von der FDP, zwei von der Zentrumspartei und drei von der KPD.
Mitglieder des Parlamentarischen Rates aus NRW
* 5. Januar 1876 in Köln; † 19. April 1967 in Rhöndorf
Von 1946 bis 1951 war der Jurist und Kommunalpolitiker Konrad Adenauer CDU-Vorsitzender im Rheinland und in der Britischen Besatzungszone. Im Oktober 1946 wurde er Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag Nordrhein-Westfalen. Bis 1950 blieb Konrad Adenauer Mitglied des Landtags. Als erster Kanzler der Republik prägte er die politischen Grundsätze Westbindung, Soziale Marktwirtschaft und Aussöhnung mit dem Staat Israel. Gemeinsam mit Ludwig Erhardt legte der gebürtige Kölner die Grundlagen für Jahrzehnte der Stabilität und Prosperität in der „Bonner Republik“.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Konrad Adenauer war Präsident des Parlamentarischen Rates, Mitglied des Ältestenrates und des Hauptausschusses. Er nahm selten an den eigentlichen Sitzungen teil und suchte stattdessen eher die informelle Ebene. Adenauer schaltete sich hauptsächlich bei einzelnen zentralen Fragen ein, etwa der Wahl des Bundessitzes, der Frage nach einer zweiten Kammer und des Wahlrechts. Er vermittelte erfolgreich zwischen den Fraktionen. Der erste Bundeskanzler wurde so bereits in der Zeit des Parlamentarischen Rates zum „Sprecher der Bundesrepublik gegenüber den westlichen Mächten“ (Heuss).
* 15. Januar 1900 in Ulenburg; † 5. März 1969 in Bünde
Der Landwirt Adolf Blomeyer war seit 1947 Bürgermeister von Ulenburg und CDU-Mitglied.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Blomeyer trat bereits in den 1920er Jahren als Interessenvertreter der Landwirtschaft und als Lokalpolitiker hervor. Er sollte den evangelischen Parteiflügel, Ostwestfalen und die Landwirtschaft vertreten. In den Fraktionssitzungen sowie im Plenum hielt er sich meistens zurück, engagierte sich jedoch umso intensiver bei agrarpolitischen Fragen und regte die Schaffung eines Bundeministeriums für Landwirtschaft an. Die KPD und deren Mitglieder im Parlamentarischen Rat konfrontierten ihn wiederholt mit seiner SA-Vergangenheit. Blomeyer war Mitglied einer Mindener SA-Einheit und beantragte Mitgliedschaft bei der NSDAP – die jedoch abgelehnt wurde. Während der NS-Zeit wurde er 1942 seiner öffentlichen Ämter enthoben. Blomeyer war Mitglied der Bekennenden Kirche.
*17. Juli 1888 in Paderborn; † 14. Dezember 1975 in Rinkerode
Von September 1945 bis Sommer 1946 war Brockmann Generalreferent für Kultus beim Oberpräsidium Westfalen. Er wurde zu dieser Zeit einer der Hauptinitiatoren der Wiederbelebung der Zentrumspartei und eine ihrer Leitfiguren.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Johannes Brockmann war Mitglied des Ältestenrates, des Hauptausschusses und des Ausschusses für Organisation des Bundes. Ab dem 2. September 1948 vertrat er Helene Wessel im Geschäftsordnungsausschuss. Im Rat konzentrierte er sich auf kulturelle Fragen und eine föderative und demokratische Ausgestaltung des Grundgesetzes. Im März 1949 wurde er zum Mitglied des Zentrums im Siebenerausschuss, der die Aufgabe hatte, strittige Themen mit den Vertretern der Alliierten zu diskutieren. Brockmann, der als politischer Pragmatiker bekannt war, trat für eine verfassungsmäßige Garantie des Elternrechts ein und hegte Sympathien für plebiszitäre Verfassungselemente wie Volksbegehren und Volksentscheide. Ihm gelang es, trotz starken Widerstands aus den großen Fraktionen, eine Regelung in das Grundgesetz aufzunehmen, welche die Parteien verpflichtete, Rechenschaft über die Herkunft ihrer Mittel abzulegen. Brockmann sah die katholischen Interessen im Grundgesetz nicht gewahrt und lehnte es deshalb bei der Schlussabstimmung am 8. Mai 1949 ab.
*8. September 1910 in Hohndorf/Sachsen; † 6. Mai 1965 in Marl
Heiland hatte als junger Mann Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet und war dafür zu einer Zuchthausstrafe verurteilt worden. Den Krieg verbrachte er als dienstverpflichteter Hilfsarbeiter. Von 1946 bis zu seinem Tod im Jahr 1965 war der Sozialdemokrat Bürgermeister der Stadt Marl. Von 1947 bis 1949 war er Mitglied des Landtags in Nordrhein-Westfalen, von 1949 bis 1965 Mitglied des Bundestages.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Heiland war Mitglied des Ältestenrates, des Ausschusses für Wahlrechtsfragen und Ersatzmitglied für Carlo Schmid im Ausschuss für Organisation des Bundes. Er galt als engagiertes Mitglied des Parlamentarischen Rates und nahm gelegentlich durchaus polarisierend Stellung, vor allem in seiner Kritik an anderen Abgeordneten. Er übte teils heftige Kritik an den Westalliierten, indem er ihnen eine „Politik der imperialistischen Ausdehnung“ vorwarf sowie die Nutzung der Deutschen als „Schachfiguren“. Inhaltlich gehörte er der Hauptströmung der Sozialdemokraten an, was damals hieß: Stärkung der Verantwortung von Parlament und politischen Parteien, Eintreten für das konstruktive Misstrauensvotum und ein Senatssystem als Zweite Kammer.
*31. Januar 1883 in Herford; † 15. Januar 1954 in Karlsruhe
Höpker Aschoff war bereits vor 1933 als Mitglied der DDP politisch aktiv. Von 1921 bis 1932 gehörte er dem Preußischen Landtag an, von 1925 bis 1931 war er preußischer Finanzminister, von 1930 bis 1932 Mitglied des Reichstags. In den 1930er Jahren war er enger Mitarbeiter von Theodor Heuss. Nach dem Krieg war er von 1945 bis 1946 als Generalreferent für Finanzen beim Oberpräsidium Westfalen tätig. Die Briten verweigerten ihm die vorgesehene Ernennung zum Finanzminister von Nordrhein-Westfalen aufgrund seiner Tätigkeit bei der Haupttreuhandstelle Ost während der NS-Zeit. Von 1951 bis zu seinem Tod war Höpker Aschoff der erste Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Höpker Aschoff war Mitglied des Ausschusses für Finanzfragen und vertrat außerdem die FDP im Fünfer- und Siebenerausschuss. Ein besonderes Anliegen war ihm die Einführung einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung. Ihm wird die starke Stellung des Bundes im Finanzbereich und die Unabhängigkeit der Bundesbank zugeschrieben. Durch seine Haltung wurde er zu einem Hauptgegenspieler der Bayerischen Staatsregierung und geriet außerdem in heftige Gegensätze zu den Westalliierten, da beide eine stärkere Position der Länder in der Finanzpolitik befürworteten. In zähen Verhandlungen konnte er schließlich durchsetzen, dass der Bund mehr Kompetenzen auf dem Gebiet des Finanzwesens erhält.
*20. August 1883 in Celle; † 13. Oktober 1956 in Düsseldorf
Lehr war von 1924 bis zu seiner Absetzung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 Oberbürgermeister von Düsseldorf. Der Jurist Lehr stand als Protestant und ehemaliger Deutschnationaler im Jahr 1945 in besonderem Maße für den Charakter der CDU als Sammlungsbewegung. Er war prägender Mitgründer und Vorstandsmitglied der CDU Rheinland, von 1946 bis 1950 Abgeordneter im Landtag Nordrhein-Westfalen und von 1946 bis 1947 zweiter Präsident des Landtags. Lehr war von 1949 bis 1953 Mitglied des Bundestages und von 1950 bis 1953 Bundesminister des Innern.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Robert Lehr war Vorsitzender im Ausschuss für die Organisation des Bundes, außerdem Mitglied des Ältestenrats, des Hauptausschusses und des Ausschusses für Finanzfragen. Als Verfassungsexperte bildete der ehemalige Richter ein Gegengewicht zu Walter Menzel von der SPD. Er nahm eine führende Stellung unter den Mitgliedern im Parlamentarischen Rat ein und wirkte in den letzten Beratungen stark an der Diskussion zum Verhältnis von Kirche und Staat mit.
*4. November 1889 in Dortmund; † 25. April 1965 in Dortmund
Der Jurist und Zeitungsverleger Lambert Lensing war 1945 Hauptinitiator der Gründung der Christlich-Demokratischen Partei Westfalens. Seit 1948 hielt er die Lizenz für die in Dortmund erscheinenden Ruhr-Nachrichten. Im Jahr 1949 war er Mitbegründer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger.
Rolle im Parlamentarischen Rat
In der Plenumsdiskussion hielt er sich eher zurück, berichtete seiner Fraktion aber stets über Diskussionen im Finanzausschuss und beteiligte sich stark an der Debatte über die Behandlung der Presse und Meinungsfreiheit im Grundsatzausschuss. Der CDU diente er vor allem als Kontaktmann zur Presse.
*15. September 1888 in München; † 28. August 1956 in Valdorf
Löwenthal war in den 1920er Jahren Kommunist geworden und hielt sich seit 1935 als Flüchtling in der Sowjetunion auf. Er galt als linientreu und war 1946 von Walter Ulbricht als Abteilungsleiter für den Aufbau der Justiz in der Sowjetischen Besatzungszone vorgesehen. Löwenthal flüchtete im Mai 1947 überraschend in die westlichen Besatzungszonen und nahm seinen Wohnsitz in Dortmund. Im September 1947 gab er seine Mitgliedschaft in der SED auf und trat unmittelbar darauf in die SPD ein, die ihn als Mitglied im Parlamentarischen Rat benannte.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Löwenthal war stellvertretendes Mitglied des Hauptausschusses, Mitglied des Ausschusses für Organisation des Bundes und des Ausschusses für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege. Seine inhaltlichen Beiträge waren minimal. Er nutzte den öffentlichen Hauptausschuss, um die Verhältnisse in der Sowjetunion und der sowjetischen Besatzungszone anzuprangern. Er kritisierte den SPD-Parteivorsitzenden Kurt Schuhmacher öffentlich, nachdem es diesem im April gelungen war, die Partei auf eine ablehnende Haltung gegenüber den alliierten Vorgaben für das Grundgesetz festzulegen. Löwenthal trat im Folgenden aus der SPD und der Fraktion aus und saß von da an als Fraktionsloser im Parlamentarischen Rat.
*13. September 1901 in Berlin; † 24. September 1963 in Bad Harzburg
Der Jurist Walter Menzel war von 1945 bis 1946 Generalreferent für Inneres und Stellvertreter des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen in Münster. Von 1946 bis 1950 war er Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Von 1949 bis zu seinem Tod war er Mitglied des Bundestages.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Menzel war stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, Mitglied des Hauptausschusses, des Ausschusses für Finanzfragen und des Ausschusses für Wahlrechtsfragen. Außerdem repräsentierte er die SPD im Fünfer- und im Siebenerausschuss. Neben Carlo Schmid war Menzel einer der führenden Verfassungspolitiker der Sozialdemokraten, der sich im Rat vor allem der Außenkontakte annahm. Seine verfassungspolitische Haltung wurde wesentlich vom Scheitern der Weimarer Republik bestimmt. Im Parlamentarischen Rat trat er für einen starken Zentralstaat ein.
(*11. Dezember 1897 in Herford; † 14. August 1970 in Bad Oeynhausen)
Die examinierte Wohlfahrtspflegerin Friederike Nadig war eine der vier Frauen im Parlamentarischen Rat. Während des Nationalsozialismus unterlag sie von 1933 bis 1936 einem Berufsverbot. Nach dem Krieg war sie Geschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt im Bezirk Westfalen-Lippe. Von 1930 bis 1933 war Nadig Abgeordnete im Westfälischen Provinziallandtag. Von 1946 bis 1948 war sie Mitglied des Zonenbeirats und von 1947 bis 1950 Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Nadig war Mitglied des Ausschusses für Grundsatzfragen und eine der sogenannten „Mütter des Grundgesetzes“. Nadig setzte sich vehement für die von Ihrer hessischen Parteikollegin Elisabeth Selbert entwickelte Formulierung zur Gleichberechtigung von Mann und Frau ein, die schließlich als Artikel 3 (2) ins Grundgesetz übernommen wurde. Erfolglos blieb sie hingegen mit Forderungen nach der rechtlichen Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern und einem Verfassungsrang des Grundsatzes „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Nadig zählte zu den aktivsten Befürwortern eines Rechts auf Kriegsdienstverweigerung.
(*28. Oktober 1905 in Hagen; † 12. Oktober 1962 in Ost-Berlin)
Der gelernte Werkzeugmacher und Schlosser Hugo Paul war bereits in den 1920er Jahren als kommunistischer Jugendfunktionär aktiv. Von Juli bis November 1932 war er kurzzeitig Reichstagsabgeordneter. Paul war in den Jahren 1933 und 1934 Leiter der KPD-Bezirksleitung Ruhr. Nach seiner Verhaftung wurde er zu einer Zuchthausstrafe verurteilt und musste danach von 1936 bis 1939 Haft in Konzentrationslagern verbüßen. Von 1943 bis 1945 wurde er erneut zu Zuchthaus verurteilt. Von August 1946 bis Februar 1948 war er Minister für Wiederaufbau in Nordrhein-Westfalen. Von 1946 bis 1950 dann Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalen. Von 1949 bis 1953 war er Abgeordneter im Bundestag. Paul wurde in den 1950er Jahren strafrechtlich verfolgt und floh daher zweimal in die DDR, wo er auch starb.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Paul war Mitglied des Geschäftsordnungsausschusses und des Ausschusses für das Besatzungsstatut. Er kritisierte die Bildung eines westdeutschen Staates scharf und bezeichnete es als Folge eines „Diktats der Westmächte“. Er trat für ein Demokratiemodell ein, das bei Abschwächung der Gewaltenteilung dem Parlament eine zentrale Stellung einräumt. Er forderte außerdem die verfassungsmäßige Festlegung einer gesellschaftlichen und ökonomischen Umgestaltung des Gemeinwesens, Beides als Voraussetzung für eine „Diktatur des Proletariats“ und eine Entwicklung hin zum Kommunismus stalinistischer Prägung in Westdeutschland. In der ersten Oktoberhälfte legte er aus innerparteilichen Gründen sein Mandat nieder.
(*31. Oktober 1898 in Elbing/Westpreußen; † 18, Januar 1977 in Düsseldorf)
Der Metall- und Bergarbeiter Max Reimann war als Vorsitzender der westdeutschen KPD der führende Kommunist im Parlamentarischen Rat. In den 1930er Jahren war Reimann im Reich, im Saargebiet und in der Tschechoslowakei als Widerstandskämpfer aktiv. Er wurde 1939 verhaftet und musste bis Kriegsende Haft in Gefängnissen und in Konzentrationslagern erleiden. Reimann war mit verantwortlich für Säuberungen innerhalb der westdeutschen KPD, bei denen andere führende Vertreter der Partei unter Vorwänden nach Ost-Berlin gelockt und dort von der Stasi und den sowjetischen Geheimdiensten gefoltert und teils in die Sowjetunion verschleppt wurden. 1954 entzog sich Reimann einem Haftbefehl durch Flucht in die DDR. 1968 kehrte er in die Bundesrepublik zurück und war dort ab 1971 Ehrenvorsitzender der vom SED-Regime gesteuerten DKP.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Reimann war Mitglied des Ältestenrats, des Hauptausschusses und des Ausschusses für Wahlrechtsfragen. Er war von allen interfraktionellen Besprechungen, vor allem von Kontakten mit den Westalliierten, ausgeschlossen. Anfang Februar wurde er von den Briten wegen einer von ihnen als kritisch empfundenen öffentlichen Rede verhaftet. Reimann lehnte den Parlamentarischen Rat ab, da er die Gründung eines Weststaats verhindern wollte. Berühmt wurde er mit seinen Worten zur Ablehnung des Grundgesetzes durch die KPD: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“
(*6. Januar 1898 in Lückenburg/Hunsrück, † 11. Januar 1964 in Ost-Berlin)
Der Journalist Heinz Renner war bereits 1933 als Kommunalpolitiker für die KPD tätig. Von 1939 bis 1943 war er in französischen Lagern interniert, danach wurde er im Zuchthaus Ludwigsburg inhaftiert. von 1946 bis 1956 war er Mitglied des Essener Stadtrats, von Februar bis Ende Oktober war er – als unmittelbarer Vorgänger Gustav Heinemanns – Oberbürgermeister der Stadt Essen, im Jahr 1946 Sozial- und von 1947 bis 1948 Verkehrsminister in Nordrhein-Westfalen. Von 1946 bis 1949 war er Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen. Von 1949 bis 1953 gehörte er dem Bundestag an. Er war der erste Bundestagsabgeordnete, der einen Ordnungsruf vom Präsidium erhielt.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Renner war Mitglied im Geschäftsordnungsausschuss und Besatzungsstatut, wo er Hugo Paul ersetzte. Im Gegensatz zu seinem Parteikollegen Reimann galt er in weiten Kreisen als sachkundiger Fachmann. Er wirkte als wichtiger verfassungspolitischer Sprecher seiner Partei bei nahezu jedem Punkt mit und äußerte deutliche Bedenken gegen einen westdeutschen Staat. Trotz seiner grundsätzlich oppositionellen Haltung und heftiger Wortgefechte in den Diskussionen im Plenum und in den Ausschüssen kommt es nicht zu einer persönlichen Isolierung Renners. Renner stimmt mit seiner Fraktion gegen das Grundgesetz und verweigerte die Unterzeichnung. Ende der 1950er Jahre wurden ihm wegen verbotener KPD-Betätigung die Entschädigungsbezüge als Verfolgter des NS-Regimes aberkannt und die bereits erhaltenen Bezüge zurückgefordert. Er kam kurzzeitig in Haft, der er sich 1960 durch Flucht in die DDR entzog.
(*28. Oktober 1902 in Konradsthal (Stadtteil von Wałbrzych/Waldenburg in Schlesien); † 3. Mai 1975 in Düsseldorf)
Der gelernte Schlosser Hermann Runge war bereits vor 1933 als Kommunalpolitiker, Reichsbannermann und Vorsitzender der parteiübergreifenden Eisernen Front politisch aktiv. Die von ihm aufgebaute Widerstandsgruppe rund um die Brotfabrik Germania wurde 1935 entdeckt. Runge wurde vom Volksgerichtshof zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach der Entlassung blieb er mit Hilfe des Zuchthausdirektors von KZ-Haft verschont. Von 1946 bis 1966 war er hauptamtlicher Bezirkssekretär im SPD-Bezirk Niederrhein, 1946/47 und 1958 bis 1966 war er Mitglied des Landtags, von 1949 bis 1957 diente Runge als Mitglied des Bundestags.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Runge war Mitglied im Ausschuss für Organisation des Bundes. Bei den Beratungen hielt er sich sehr im Hintergrund. Neben seinem Status als Vertreter des Niederrheins, stand er im Parlamentarischen Rat für die Verfolgten des NS-Regimes.
(*6. Mai 1881 in Olpe; † 27. November 1953 in Olpe)
Der Metallarbeiter und Gewerkschaftssekretär Josef Schrage war bereits vor 1933 als Kommunalpolitiker für das Zentrum aktiv. Zudem gehörte er bereits von 1921 bis 1933 dem Westfälischen Provinziallandtag an. Von 1928 bis 1933 war Schrage Direktor des Arbeitsamts in Olpe. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kurzzeitig arbeitslos, fand er eine Anstellung im Medienunternehmen von Lambert Lensing. Nach dem Krieg gehörte Schrage zu den Gründern der CDU in Westfalen. Von 1947 bis 1949 war Schrage, neben Ämtern als Bürgermeister und Landrat, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU in nordrhein-westfälischen Landtag. In den Jahren 1949 und 1950 übernahm er den Fraktionsvorsitz als Nachfolger von Konrad Adenauer.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Schrage war Mitglied des Ausschusses für Grundsatzfragen und des Ausschusses für Wahlrechtsfragen. Er nahm regelmäßig an den Sitzungen des Parlamentarischen Rates teil, ergriff aber selten das Wort. Er zeigte politische Gradlinigkeit und galt als Vertreter der kirchlichen Belange sowie als rigoroser Anhänger eines einfachen Mehrheitswahlrechts nach britischem Vorbild. Nachdem ein Kompromiss über das Wahlrecht („personalisiertes Verhältniswahlrecht“) beschlossen wurde, bat er seine Fraktion um Entbindung von der Mitgliedschaft im Wahlrechtsausschuss, die auch gewährt wurde.
(*17.März 1881 in Elberfeld; † 25. Juli 1962 in Bonn)
Die überzeugte Katholikin Helene Weber war vom Kaiserreich bis in die Bundesrepublik eine Wegbereiterin für Frauen in Beruf und Politik. Bereits 1919/20 war die Studienrätin und Leiterin der Sozialen Frauenschule Aachen für das Zentrum Mitglied der verfassungsgebenden Weimarer Nationalversammlung. 1920 wurde Weber Dezernatsleiterin im preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt und damit erster weiblicher „Ministerialrat“ in Preußen. Während des Nationalsozialismus arbeitete sie als freie Wohlfahrtspflegerin. Weber beteiligte sich 1945 am Aufbau der CDU. Als „einflussreichste Frau der Union“ und eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“ ließ sie sich unter anderem vom Vorschlag der SPD-Frauen zur Gleichberechtigung der Geschlechter überzeugen. Von 1949 bis 1962 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, von 1952 bis 1959, nach dem Tod von Elly Heuss-Knapp, Vorsitzende des Müttergenesungswerks.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Weber war Schriftführerin für die CDU im Präsidium und Mitglied des Ausschusses für Grundsatzfragen. Sie vertrat ähnliche Positionen wie Helene Wessel von der Zentrumspartei. Helene Weber widmete sich den Angelegenheiten der Kulturpolitik, von Ehe und Familie sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter. Neben Adolf Süsterhenn von der CDU trat sie als kulturpolitische Sprecherin der Union im Ausschuss für Grundsatzfragen auf. Helene Weber pflegte außerdem enge Kontakte mit Vertretern der katholischen Kirche.
(*6. Juli 1898 in Hörde, im heutigen Dortmund; † 13. Oktober 1969 in Bonn)
Die Diplom-Wohlfahrtspflegerin Helene Wessel engagierte sich bereits vor 1933 beruflich und persönlich für die Zentrumspartei, unter anderem als Sekretärin im Parteibüro in Hörde. Seit 1928 war Wessel Abgeordnete im Preußischen Landtag. Als Vertreterin der katholischen Fürsorge nahm sie in den 1930er Jahren teils ambivalente Haltungen zu Positionen des Nationalsozialismus ein. So befürwortete sie etwa die Sterilisierung mancher Gruppen, die auch vom NS verfolgt wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sie sich erneut im Zentrum, das sie auch im Parlamentarischen Rat vertrat. Von 1949 bis 1952 war sie die erste Parteivorsitzende in der deutschen Geschichte und zugleich auch die erste Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag. Wegen ihrer Ablehnung der Wiederbewaffnung trat sie vom Vorsitz zurück und wurde Mitglied der Gesamtdeutschen Volkspartei. Seit 1957 war sie Mitglied der SPD, die sie bis zu ihrem Tod im Bundestag vertrat Von 1946 bis 1950 war Helene Wessel auch Abgeordnete im Landtag Nordrhein-Westfalen.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Wessel war im Präsidium Schriftführerin für die Zentrumspartei, Mitglied des Geschäftsordnungsausschusses, des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung und eine der „Mütter des Grundgesetzes“. Sie verfolgte als Repräsentantin der Zentrumspartei ähnliche Ziele wie Johannes Brockmann. Sie trat für eine starke sozialistische Ausrichtung des Grundgesetzes ein und wollte die Einflussmöglichkeiten der Parteien auf die Mandatsträger durch rechtliche Vorkehrungen begrenzen. Die Initiative zur Gleichberechtigung der Geschlechter überließ sie den beiden weiblichen SPD-Abgeordneten. Aus den gleichen Gründen wie Johannes Brockmann weigerte sie sich am 8. Mai 1949 das Grundgesetz zu unterzeichnen.
(*24. März 1912 in Essen-West; † 13. Dezember 1976 in Essen-Rellinghausen)
Als junger Mann trat Friedrich Wolff in die SPD ein und engagiert sich dort bis zum Verbot 1933. In den 1930er Jahren studierte und promovierte er in Volkswirtschaftslehre. Wolff war bis zum Kriegsdienst als Journalist tätig und geriet am Ende des Krieges in französische Kriegsgefangenschaft. Im Mai 1946 wurde Wolff von den Briten unter dem kommunistischen Oberbürgermeister Heinz Renner als Stadtdirektor von Essen eingesetzt. Von 1946 bis 1950 war Wolff Dezernent für Personal- und Ordnungswesen, von 1950 bis 1957 Stadtkämmerer, dann bis zum Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen im Jahr 1963 Oberstadtdirektor.
Rolle im Parlamentarischen Rat
Wolff war Mitglied des Hauptausschusses und des Ausschusses für Finanzfragen. In seiner Arbeit konzentrierte er sich auf Aspekte der Finanzverfassung und trat – ähnlich wie Höpker Aschoff – für eine starke Stellung des Bundes ein. Fredrich Wolff war außerdem Anhänger einer elastischen Gestaltung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern.
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- Auf den Websiten Das Grundgesetz. Die Grundrechte aus der Reihe einfach POLITIK erklärt die Bundeszentrale für politische Bildung die Grundrechte des deutschen Grundgesetzes.