Leeres Portemonnaie oder kalte Wohnung: Ist die Diskussion über das Heizungsgesetz für die Menschen in NRW eine Zumutung?
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Kurzfassung
Mehr als 80 Prozent aller Haushalte in NRW heizen mit Gas oder Strom – noch. Denn geht es nach den Plänen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), soll ab 2024 „möglichst“ jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. Rückendeckung bekommt Habeck von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Doch die FDP, der Koalitionspartner im Bund, blockiert das Gebäudeenergiegesetz (GEG) seit Wochen hartnäckig: Ende Mai verhinderte sie die erste Lesung im Bundestag – und legte dem Bundeswirtschaftsminister stattdessen 77 fachliche Fragen vor. Nachdem dieser Bereitschaft für Nachbesserungen signalisierte – etwa beim Starttermin für Altbauten oder bei der Forderung nach mehr Technologieoffenheit –, ist wieder eine Diskussion über konkrete Maßnahmen und deren Umsetzbarkeit aufgenommen worden. Ob es gelingt, das Gesetz noch vor Beginn der Sommerpause am 7. Juli durchs Parlament zu bringen, ist fraglich. Kritische Stimmen sind nicht nur aus der FDP zu hören.
Menschen in NRW befürchten massive Sanierungskosten
Auch in der Bevölkerung ruft die Idee der staatlich verordneten Sanierungen heftigen Widerspruch auf den Plan: Diesen Unmut brachte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) Mitte Mai in einem Interview mit PHOENIX zum Ausdruck: „Die Menschen fühlen sich von der Bundesregierung im Stich gelassen, wenn man ihnen irgendwann im Frühjahr dieses Jahres sagt: Im nächsten Winter, da solltest du dir mal schnell eine andere Heizung eingebaut haben“, betonte er. Zwar soll der Umstieg durch Übergangsfristen und Härtefallregelungen sozial abgefedert werden. Dennoch hält der Streit um das Gesetz an: Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW) und der Deutsche Mieterbund (DMB) Nordrhein-Westfalen warnen vor „unzureichenden Hilfen für Mieterinnen und Mieter“.
Ist die Diskussion über das Heizungsgesetz für die Menschen in NRW eine Zumutung?
Sechs Perspektiven
„Habeck verärgert das Land mit seinen sieben Heiz-Irrtümern“
Focus, 24.05.2023 - Gabor Steingart
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Die Perspektive in 30 Sekunden
Habeck überfordert die Menschen mit seinem Heizungsgesetz, meint der Journalist und Medienunternehmer Gabor Steingart. Millionen von Bürger:innen seien von dem Vorhaben „genervt“: „Weder Land noch Menschen sind auf seine abrupte Wärme-Wende vorbereitet“, kommentiert Steingart in seinem Gastbeitrag für das Nachrichtenmagazin FOCUS.
In Steingarts Augen steht Habecks „Heizungs-Hammer“ inhaltlich auf einem schwachen Fundament – sowohl finanziell als auch praktisch. Denn auch bei 40 Prozent staatlicher Förderung bleibe bei Kosten von rund 25.000 Euro für den Kauf und Einbau einer Wärmepumpe eine beträchtliche Summe an den Bürger:innen hängen. Nach Angaben des Zentralverbands „Sanitär Heizung Klima“ fehle es zudem deutschlandweit an 60.000 Heizungsinstallateuren. Und auch Lieferschwierigkeiten seien in Habecks Gesetz nicht mit eingepreist. „Die Heizungsbauer selbst zucken derweil ratlos mit den Schultern“, so Steingart.
Dass der Bundeswirtschaftsminister dessen ungeachtet an seinem Gesetz festhalte, müsse wohl der rot-grünen Filterblase geschuldet sein. „Die Wände sind hermetisch gegen die Außentemperatur im Lande abgedichtet“, überspitzt Steingart. Denn auch der „demoskopische Absturz“ der Grünen in den Umfragewerten stelle dem Vorhaben ein schlechtes Zeugnis aus: „Die ‚Schubumkehr‘, von der Habeck sprach, als er sein Heizungsgesetz ankündigte, gilt zumindest für ihn und seine Beliebtheitswerte.“
Anmerkungen der Redaktion
Gabor Steingart (*1962) gehört zu den bekanntesten Journalisten Deutschlands. Der Absolvent der Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten war unter anderem Leiter des SPIEGEL-Büros in Berlin und Washington sowie Chefredakteur beim HANDELSBLATT. Dort wurde er besonders durch seinen täglichen Newsletter „Handelsblatt Morning Briefing“ bekannt. Steingart hat mehrere, größtenteils sehr erfolgreiche Bücher über das politische Leben in Deutschland geschrieben. 2018 gründete er das Medienunternehmen MEDIA PIONEER, an dem die Axel Springer SE mit 35,9 Prozent beteiligt ist. Seit Juni 2018 gibt Steingart das „Steingarts Morning Briefing“ heraus, welches vom „Handelsblatt Morning Briefing“ zu unterscheiden ist. „Steingarts Morning Briefing“ erscheint als Newsletter jeden Werktag per E-Mail-Verteiler und ist kostenfrei und auf THEPIONEER hinterlegt. Es erscheint zudem bei FOCUS ONLINE, GMX, WEB.DE und LinkedIn und wird vielfach von anderen Medien zitiert. Daneben betreibt Steingart einen gleichnamigen Podcast, in dem er mit Menschen aus Politik, Wirtschaft und Kultur spricht. Steingart ist in der deutschen Medienlandschaft eine umstrittene Figur. Das MANAGER MAGAZIN kritisiert, er inszeniere sich mit seinem Medienunternehmen als „Gralshüter des Journalismus“, die SZ beschreibt ihn als „Rampensau auf jeder Bühne“, die journalistisch gerne rechts anecke. MEEDIA moniert, dass Steingart in seinem 2020 erschienenen Buch „Die unbequeme Wahrheit – Rede zur Lage der Nation“ populistische Reflexe bediene und „Verbindungen zwischen der Regierung Merkel und dem früheren chinesischen Diktator Mao Zedong oder dem Dritten Reich“ andeute.
Der FOCUS ist ein wöchentlich erscheinendes deutsches Nachrichtenmagazin. Er wurde 1993 vom Hubert Burda Verlag als Konkurrenz zum SPIEGEL gegründet. Das Magazin erschien zuletzt in einer verkauften Auflage von rund 237.500 Exemplaren (1/2023) und gehört damit zusammen mit dem SPIEGEL und dem STERN zu den reichweitenstärksten deutschen Wochenmagazinen. Im Vergleich zum vorigen Quartal ist seine Auflage leicht gestiegen. Der FOCUS gilt dabei in seiner Ausrichtung im Vergleich zu den beiden Konkurrenzmagazinen als konservativer. Auch der Online-Auftritt des Magazins gehört zu den reichweitenstärksten in ganz Deutschland: Laut der Arbeitsgemeinschaft Online Forschung (AGOF) hatte FOCUS.DE im Oktober 2022 rund 24,6 Millionen Nutzer:innen zu verzeichnen. Das GOETHE-INSTITUT befindet, das Blatt vertrete eine wirtschaftsliberale Haltung und wende sich „mit vielen grafischen Darstellungen und farbintensiven Bildern insbesondere an Leser:innen mit weniger Zeit“. Wie viele andere Medien in Deutschland hat der FOCUS seit Jahren stark sinkende Verkaufszahlen zu verzeichnen: Anfang 2000 lag die Auflage noch bei knapp 811.000 verkauften Exemplaren.
„Heizungsgesetz: Gut gedacht, schlecht gemacht – rächt sich“
Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), 23.05.2023 - Jörg Quoos
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Die Perspektive in 30 Sekunden
Mit seinem Heizungsgesetz geben Habeck und sein Ministerium ein schlechtes Bild ab, findet der Leiter der FUNKE-Zentralredaktion Jörg Quoos. „Wer so disruptiv in die Eigentumsrechte von Millionen Menschen eingreift, muss zumindest alle Fragen sauber geklärt haben und den Betroffenen die Chance einräumen, verlässlich zu planen“, schreibt Quoos in der WESTDEUTSCHEN ALLGEMEINEN ZEITUNG (WAZ).
Gerade weil die hohe CO₂-Belastung der fossilen Heizungen das Klima massiv belaste, hätte das Vorhaben geschickter und weitsichtiger vorbereitet werden müssen, mahnt Quoos. Anstelle dessen aber habe Habeck das Gebäudeenergiegesetz mit heißer Nadel gestrickt – mit schwerwiegenden Folgen für das Klima: „Durch schlechtes Politmanagement hat die Akzeptanz des Gebäudeenergiegesetzes massiv gelitten“, konstatiert er.
Ohnehin habe Habecks Stellung durch die Affäre um seinen ehemaligen Staatssekretär Graichen gelitten: Dieser wurde Mitte Mai wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Das habe auch die Habeck-Kritiker:innen innerhalb der Ampel hellhörig gemacht: „Da darf es niemanden wundern, wenn beim Koalitionspartner FDP keiner mehr Lust darauf hat, für Robert Habecks Brachialkurs öffentlich verprügelt zu werden.“ Es sei offenkundig, dass Habeck an Wirkungsmacht verloren habe.
Anmerkungen der Redaktion
Jörg Quoos ist ein deutscher Journalist und Leiter der FUNKE-Zentralredaktion der FUNKE MEDIENGRUPPE, zu der das REDAKTIONSNETZWERK DEUTSCHLAND gehört. Quoos hat bei der RHEIN-NECKAR-ZEITUNG volontiert und war im Anschluss dort als Redakteur tätig. Danach war er unter anderem als stellvertretender Chefredakteur für Politik und Wirtschaft bei der BILD beschäftigt. Er war Mitglied der Chefredaktion von BILD AM SONNTAG und später Chefredakteur des Nachrichtenmagazins FOCUS. Nach seiner Zeit beim FOCUS wurde Quoos zum Chefredakteur der FUNKE-Zentralredaktion ernannt, für deren Aufbau er seither verantwortlich gewesen ist.
Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG (WAZ) ist die größte deutsche Regionalzeitung. Erstmals erschien sie im Jahr 1948. Ihr Hauptsitz ist in Essen, sie erscheint jedoch im gesamten Ruhrgebiet. Im Laufe der Jahre wurden mehrere andere Zeitungen aufgekauft und die „Zeitungsgruppe WAZ“ entstand, die 1997 in „WAZ-Mediengruppe“ umbenannt wurde. Heute wird die WAZ von der Funke-Mediengruppe herausgegeben. Überregionale Themen werden von der Zentralredaktion in Berlin bearbeitet. Chefredakteur der WAZ ist Andreas Tyrock mit seinem Stellvertreter Alexander Marinos. Die Geschäftsführung übernehmen Andrea Glock, Simone Kasik, Thomas Kloß und Christoph Rüth. Wie zahlreiche andere Zeitungen hat auch die WAZ-Mediengruppe stark mit sinkenden Auflagezahlen zu kämpfen. Im ersten Quartal 2023 lag diese bei rund 370.000 verkauften Exemplaren, zu Beginn des Jahrtausends waren es noch knapp dreimal so viele. Dennoch ist die WAZ nach wie vor die größte regionale Tageszeitung in Deutschland.
„Die nächste Runde im Heizungsmurks“
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), 12.05.2023 - Julia Löhr
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Die Perspektive in 30 Sekunden
Die Wirtschaftskorrespondentin Julia Löhr kann über Habecks „Heizungsmurks“ nur den Kopf schütteln. Denn mit dem Gebäudeenergiegesetz setze die Regierung aufs falsche Pferd: „Statt auf die lenkende Wirkung des steigenden CO2-Preises zu vertrauen, wollen Wirtschaftsminister Habeck und Bauministerin Geywitz bis ins kleinste Detail regeln, wann wie womit geheizt werden soll“, beanstandet sie in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG (FAZ).
In ihren Augen greift Habecks „Regelungseifer“ zu stark in den Markt ein – und das habe Nebenwirkungen: „[W]er will, dass in Deutschland zumindest noch ein wenig gebaut wird, sollte Vermieter nicht über Gebühr belasten.“ Löhr kann dem rot-grünen Vorhaben nichts Positives abgewinnen: „Der Gesetzentwurf zur Zeitenwende in den Heizungskellern ist Murks. Daran ändern auch die jetzt diskutierten Änderungsvorschläge nichts.“
Stattdessen plädiert die Autorin dafür, die Wärmewende dem Markt zu überlassen – vor allem, da auch die Minister:innen offenkundig der Ansicht seien, dass Wärmepumpen den fossilen Heizungen nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell überlegen sind. „Doch vermutlich ahnen auch sie: Die schöne Rechnung auf dem Papier wird in der Praxis oft nicht aufgehen“, räumt Löhr ein.
Anmerkungen der Redaktion
Julia Löhr ist Journalistin und Wirtschaftskorrespondentin im Hauptstadtbüro der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Die Diplomkauffrau arbeitet seit 2007 für das Blatt, hat unter anderem auch für THE GUARDIAN geschrieben und war die Leiterin des Magazins FRANKFURTER ALLGEMEINE WOCHE. Sie hat Betriebswirtschaft und Publizistik in Mainz studiert.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) ist eine deutsche überregionale Tageszeitung. Sie ist 1949 gegründet worden und wird zu den deutschen Leitmedien gezählt. Dies sind Medien, die einen besonderen Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf andere Massenmedien ausüben. Laut Eigenangabe steht die FAZ „für den Erhalt und die Stärkung der demokratischen Ordnung und der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland“. Die Zeitung gilt als liberal-konservatives Blatt. THE EUROPEAN schreibt über die „drei Gesichter“ der FAZ: Sie habe einen eher konservativen, staatstragenden Politikteil, ein linksliberales Feuilleton und einen liberalen Wirtschaftsteil. Die verkaufte Auflage der Zeitung lag im ersten Quartal 2023 bei rund 190.000 Exemplaren und hat im Vergleich zum vorigen Quartal leicht abgenommen. Laut Similarweb hatte der Webauftritt der FAZ – FAZ.NET – im Dezember 2022 rund 45 Millionen Besucher:innen zu verzeichnen.
„So planen Sie Ihre neue Heizung“
Der Spiegel, 27.05.2023 - Hermann-Josef Tenhagen
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Die Perspektive in 30 Sekunden
Von dem Streit um das neue Gebäudeenergiegesetz sollte die Bevölkerung sich nicht stören lassen, findet der Wirtschaftsjournalist und Finanzexperte Hermann-Josef Tenhagen. Viel wichtiger sei es nämlich, in der Zwischenzeit in Ruhe die eigenen Hausaufgaben zu erledigen. Denn: „Egal zu welchem Ergebnis die Streithähne in den kommenden Wochen kommen, für Sie sollte die Botschaft klar sein: Sie brauchen Ihren eigenen Plan“, rät er in seiner Kolumne für das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL.
Auch ohne das Gesetz seien in Deutschland in den vergangenen Jahren jedes Jahr 800.000 und mehr Heizungen eingebaut worden: „allein im ersten Quartal 2023 fast 100.000 Wärmepumpen übrigens“, schreibt Tenhagen. Demnach entspreche es dem Zeitgeist, aus dem fossilen Heizungsbetrieb auszusteigen – nicht zuletzt aus Kostengründen: „Sie werden dadurch viel Geld sparen und merken: Hektik, Angst und Panik rund um den Heizungswechsel braucht es nicht“, so der Wirtschaftsjournalist.
Tenhagen hält es zwar für wahrscheinlich, dass die meisten Heizungen noch etliche Jahre durchhalten. Doch eine qualifizierte Energieberatung – die bis zu 80 Prozent vom Bund gefördert werde – arbeite auch Sofortmaßnahmen aus. „Die sind direkt machbar, nicht teuer aber dennoch richtig wirksam für Einsparungen.“ Und wer weniger heize, der könne im Falle eines späteren Heizungstauschs auf eine kleinere und günstigere Anlage zurückgreifen – und womöglich auch auf Förderprogramme, die sich bis dahin etabliert haben.
Anmerkungen der Redaktion
Hermann-Josef Tenhagen ist ein deutscher Wirtschaftsjournalist und Finanzexperte. Er leitet als Chefredakteur den Finanzratgeber FINANZTIP, dessen Redaktion 2021 vom WIRTSCHAFTSJOURNALIST zur Wirtschaftsredaktion des Jahres gewählt wurde. 1991 begann Tenhagen als Umweltredakteur bei der TAGESZEITUNG (TAZ) in Berlin, wo er 1992 das Ressort „Wirtschaft und Umwelt“ mitgründete. 1998 wechselte Tenhagen zur BADISCHEN ZEITUNG, 1999 dann zur Wirtschaftszeitschrift FINANZTEST der STIFTUNG WARENTEST. Seit 2012 ist Tenhagen in der Jury des Helmut-Schmidt-Journalistenpreises. Außerdem ist er Mitglied im Aufsichtsrat der TAZ-Genossenschaft und im Aufsichtsrat von Greenpeace e.V. Der SPIEGEL bezeichnete Tenhagen als „bekanntesten Verbraucherjournalisten Deutschlands“.
DER SPIEGEL ist ein deutsches Nachrichtenmagazin, das 1947 von Rudolf Augstein gegründet wurde. Zuletzt (1/23) erschien es in einer Auflage von rund 703.000 Exemplaren – die Gesamtauflage ist damit im Vergleich zum vierten Quartal 2022 leicht gesunken. DER SPIEGEL zählt zu den deutschsprachigen Leitmedien: Er prägt die gesellschaftliche Debatte und Öffentlichkeit. In den Jahren 2019 und 2020 war das Magazin das meistzitierte Medium in Deutschland. Eine besondere Rolle im Magazin nimmt bis heute der investigative Journalismus ein. 1963 führten eine solche Recherche und die sogenannte SPIEGEL-Affäre dazu, dass der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß sein Amt räumen musste. DER SPIEGEL wird traditionell als eher linksliberales Medium gesehen, auch in Abgrenzung zu den anderen großen deutschen Nachrichtenmagazinen, dem FOCUS und dem STERN. Bereits Gründer Rudolf Augstein verortete sein Magazin „im Zweifel links“. 1994 wurde der dem SPIEGEL zugehörige, aber redaktionell unabhängige Online-Nachrichtendienst SPIEGEL ONLINE gegründet. Seit dem 8. Januar 2020 heißt auch das Online-Portal DER SPIEGEL, nachdem die Redaktionen der beiden Medien 2019 zusammengelegt wurden. Dennoch ist das Online-Portal immer noch rechtlich und wirtschaftlich unabhängig, da es von einer Tochtergesellschaft betrieben wird. DER SPIEGEL (online) zählt zu den fünf meistbesuchten Nachrichten-Webseiten in Deutschland. 2018 wurde bekannt, dass der langjährige Mitarbeiter Claas Relotius wesentliche Inhalte von – teils preisgekrönten – SPIEGEL-Reportagen erfunden hatte. Hiernach reichte Relotius seine Kündigung ein. Das Blatt sprach von „einem Tiefpunkt in der 70-jährigen Geschichte des SPIEGEL“.
Die Perspektive in 30 Sekunden
Chefredakteur Joachim Wille kann die „Angstkampagne“ gegen das Heizungsgesetz nicht nachvollziehen. Im Magazin KLIMAREPORTER unterstreicht der Kommentator, dass eine weitere Verzögerung der Wärmewende alles andere als günstig für alle zu werden drohe, die weiter mit Öl und Erdgas heizen. Deshalb plädiert er: „Deutschland muss hier schnell aufholen (…).“
Dass das Interesse an Wärmepumpen plötzlich dennoch sinke, kreidet Wille vor allem der Opposition an. Ein besonderer Dorn im Auge ist ihm dabei die Unterschriftenkampagne „Fair‑Heizen“ der CDU, mit der sich die Partei im Mai explizit gegen das Heizungsgesetz richtete. Zwar liege es in der Natur der Sache, dass die Opposition versuche, aus diesem „Wirrwarr“ Vorteile zu ziehen. „Doch dass die Union mit Horrorszenarien arbeitet, um im Wahlvolk zu punkten, und dabei die ganze Wärmewende in Misskredit bringt, ist perfide“, kritisiert Wille.
Ein Blick auf andere europäische Länder beweise, dass die Umstellung von fossilen Heizungen auf effiziente Wärmepumpen funktionieren kann: Etwa in Dänemark sei die Neuinstallation von Öl- und Gasheizungen bereits seit Jahren verboten. „In Skandinavien werden schon lange Gebäude mit Wärmepumpen beheizt und Fernwärmenetze mit Großwärmepumpen betrieben, ergänzt mit Abwärme-, Biomasse- und Erdwärme-Nutzung“, lobt Wille.
Anmerkungen der Redaktion
Joachim Wille ist seit 2016 Chefredakteur des Magazins KLIMAREPORTER sowie Co-Chefredakteur des Debattenmagazins MOVUM. Er schreibt außerdem als ausgewiesener Umweltexperte für die FRANKFURTER RUNDSCHAU und den KÖLNER STADT-ANZEIGER. Zuvor arbeitete er als Ressortleiter für Umwelt und Wissenschaft sowie als Politik-Reporter für die FRANKFURTER RUNDSCHAU. Wille wurde unter anderem mit dem Journalistenpreis der Deutschen Umweltstiftung ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heißt es, Willes Artikel seien sachlich und fachlich fundiert und machten betroffen, ohne Hoffnungslosigkeit aufkommen zu lassen.
KLIMAREPORTER ist das Nachfolgemagazin der Seite KLIMARETTER.INFO. Das Onlinemagazin möchte aktuellen und unabhängigen Journalismus über Ursachen und Folgen des Klimawandels liefern. Es ist ein Projekt des gemeinnützigen Vereins Klimawissen, der „unabhängige und kritische Berichterstattung rund um die Themen Klimawandel und Energiewende“ fördern will. Kooperationspartner von KLIMAREPORTER sind unter anderem CORRECTIV, die FRANKFURTER RUNDSCHAU und die linke Tageszeitung ND (ehemals NEUES DEUTSCHLAND). Die Finanzierung des Magazins erfolgt durch Werbung, Spenden und Förderbeiträge.
„Heizungsgesetz her – doch mit anderen Bedingungen!“
Wirtschaftswoche (WIWO), 19.05.2023 - Cordula Tutt
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Die Redakteurin Cordula Tutt hofft, dass das Heizungsgesetz schnell durch den Bundestag gebracht wird. Denn Habecks Vorhaben werde dem Wirtschaftsstandort Deutschland guttun: „[T]atsächlich dürfte es sogar einen Innovationsschub auslösen, den Deutschland dringend gebrauchen kann“, schreibt die Journalistin in ihrem Kommentar für die Wochenzeitung WIRTSCHAFTSWOCHE (WIWO).
Auch in Frankreich lasse sich beobachten, dass Präsident Macron daran arbeite, die heimische Wirtschaft mithilfe von Reformen zu stärken. An diesem Kurs müsse Deutschland sich ein Beispiel nehmen: Es gehe darum, Zukunftstechnologien zu entwickeln und dadurch die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Und Tutt konstatiert: „Ein im parlamentarischen Prozess verbessertes Heizungstauschgesetz kann dazu beitragen.“
Die Redakteurin ist überzeugt, dass Habecks Entwurf ohnehin noch einen Feinschliff bekommen hätte: „Das Strucksche Gesetz besagt eben, dass kein Gesetz den Bundestag verlässt, wie es reingekommen ist“, betont sie. Und das Heizungsgesetz sei handwerklich keineswegs schlechter gemacht als andere. Tutt meint: „Dieses Gesetz ist nötig und es ist schnell nötig, weil langfristige Entscheidungen dranhängen, die Deutschland jahrelang vermieden hat.“
Anmerkungen der Redaktion
Cordula Tutt ist Journalistin und Redakteurin bei der WIRTSCHAFTSWOCHE. Sie berichtet für das Blatt über Wirtschaftsthemen aus Berlin. Die Absolventin der Deutschen Journalistenschule gehörte zum Gründungsteam der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND. Sie arbeitete zudem für die FINANCIAL TIMES in London und bei REUTERS. Weiterhin ist Tutt Autorin des wachstumskritischen Buchs „Das große Schrumpfen“.
Die WIRTSCHAFTSWOCHE ist eine seit 1926 bestehende überregionale Wochenzeitung mit Sitz in Düsseldorf, deren verkaufte Auflage zuletzt bei etwas über 99.000 lag (1/2023). Sie erscheint im Handelsblatt Verlag, der mit dem HANDELSBLATT eine weitere renommierte Wirtschaftszeitung herausgibt. In ihrer Ausrichtung gilt die Zeitung als wirtschaftsliberal. Die WIRTSCHAFTSWOCHE gehört zu den Pflichtblättern an den Börsen in Düsseldorf und Frankfurt und erfährt Aufmerksamkeit vor allem über ihre Berichterstattung mit Rankings, etwa zu Hochschulen oder Städten. Der Vermarkter Iq Media zeichnet die Hauptzielgruppe der WIRTSCHAFTSWOCHE als männlich, mittelständisch und überdurchschnittlich wohlhabend.